Wie als Deutscher im Ausland mit Hitlerkommentaren umgehen

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Der_Felix
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Wie als Deutscher im Ausland mit Hitlerkommentaren umgehen

Ungelesener Beitrag von Der_Felix »

Hallo liebe Leute,

unter der Überschrift "Lustiges zu den Ländern" klang kürzlich das Thema Adolf Hitler an und wie der selbst ernannte Führer im Ausland oft noch immer eines der ersten Stichworte zum Thema Deutschland ist, ob nun ernsthaft oder (vermeintlich?) humoristisch. Ich finde, das Thema ist zu groß, um in einem "Lustiges zu den Ländern"-Thread nebenbei diskutiert zu werden, untergehen sollte - andererseits aber auch wieder zu wichtig, als dass ich es einfach abwürgen möchte. Schließlich hat vermutlich jeder schon mal die Erfahrung gemacht, als Deutscher im Ausland auf Hitler und die NS-Zeit angesprochen zu werden.

Ein drei Beispiele aus eigener Erfahrung:
- eine Israelin, die ich in Argentinien kennen gelernt hatte, erzählte mir, sie könne es nicht ertragen, wenn sie uns (einige Schweizer und ich) auf deutsch reden hören würde. Das wäre die Sprache derer, die ihre Familie einst aus Deutschland vertrieben hätte.
- eine Irin, die ich in Australien kennengelernt hatte, erzählte stolz aus ihrer Zeit als Coffeehouse-Angestellte. Recht schnell sei sie in der Lage gewesen, Blumen und Ähnliches auf den Kaffeeschaum zu zaubern. Besonders lustig hätte sie es gefunden, einem Deutschen ein Hakenkreuz auf seinen Kaffee-Latte zu kredenzen - dass der nicht darüber lachen konnte, war für sie nicht nachvollziehbar. Irgendwann müsse man doch mal mit der Geschichte abschließen.
- Alter Mann in Argentinien: als er erfährt, dass ich Deutscher bin, erklärt er mir, ich solle stolz sein, dass mein Land so einen wie Hitler hervor gebracht hätte

Wie geht man mit sowas um? Die Irin beispielsweise konnte nicht verstehen, dass es für uns Deutsche eben nicht so einfach und wohl auch nicht unbedingt klug wäre, einfach "abzuschließen" und endlich darüber zu lachen.

Was meint Ihr?
Wer immer nur in die Fußstapfen anderer tritt hinterlässt keine eigenen Spuren!
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JayDee
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Wie als Deutscher im Ausland mit Hitlerkommentaren umgehen

Ungelesener Beitrag von JayDee »

Auch ich habe damit so meine Erfahrungen gemacht...


- In Australien wurde ich ein paar mal von unterschiedlichen Nationalitaeten vooooooorsichtigt gefragt, ob ich denn ueber Adolf und den zweiten Weltkrieg bescheid wuesste und auch wuesste, dass das doch recht boese war.
Nun, auf so eine Frage ist meine erste Antwort: Ich bin zur Schule gegangen, fuer gar nicht mal so kurze Zeit. Im deutschen Schulsystem wird das Thema rauf und runter behandelt. Also selbst ohne Eigeninteresse wird wohl die ganz deutliche Mehrheit der Deutschen darueber bescheid wissen. Ich glaube keiner weiss soviel ueber den zweiten Weltkrieg, wie wir. Das zumindest ist eine zufriedenstellende Antwort.


- In Chile auf dem Land traf ich auf der Geburtstagsparty eines Bekannten einen alten Mann, der gerne bloede Sprueche ueber meine Haarfarbe und Aehnliches machte. Was soll man dazu sagen? Alte Maenner halt...
Und Amerikaner mochte er immerhin auch nicht...


- China ist wohl das interessanteste, wenn auch irgendwie erschreckenste Beispiel. Ein Mann, oder eine Frau (oder mehrere zusammen), die Du schon gut kennst, intelligent, scheinbar weltoffen, gebildet, stellt Dir irgendwann die Frage, was Du eigentlich von Hitler haelst. Wenn Du dann vorsichtig, kurz und knapp den Fuehrer als Intelligenzallergiker abstempelst, ohne allzusehr ins Detail zu gehen, schmunzeln sie ein bisschen... und dann kommt: "Ich glaube, das war ein ganz guter Mann." ?!
Tja, warum glauben die das? Na, weil die ja auch keine Ahnung haben. Deren Kenntnis bezieht sich auf die Assoziation mit Mao, der ja auch ne coole Sau war, und ebenfalls die Massen bewegt hat. Und immerhin haette Deutschland ja fast ganz Europa-und-mehr eingenommen, das ist ja schonmal was.

Als Antwort hat man jetzt die Wahl. Entweder man haelt sich kurz und sagt: "Nee, gut war der nicht. Krieg ist nie gut. Und all die tollen Wissenschaftler sind nach Amerika geflohen."
Oder man bringt die Maedels zum heulen und erzaehlt all die grausligen Geschichten, die einem zu dem Thema einfallen.
"Das hab ich nicht gewusst!", wird man dann schluchzend hoeren.
Wie denn auch? Zumindest eine glaubhafte Entschuldigung.

Ein befreundeter Expat in China hat sogar einen Arbeitskollegen, einen alten Schweissmeister, dem er erstmal abgewoehnen musste, ihn jeden Morgen mit dem Hitlergruss zu begruessen. Doch der gute Mann weiss wahrscheinlich noch viel weniger etwas mit der dazugehoerigen Vergangenheit anzufangen.
Und irgendeiner muss ja die Brieftaschen mit dem Hitlerbild aus dem Untergrundmarkt ja kaufen.

Eine weiteres Erlebnis war waehrend einer Nachtzugfahrt nach Beijing, bei der ich aus Langeweile eine Flasche Wein mit einem alten Chinesen geteilt habe, der mir dann lange Vortraege darueber gehalten hat, das Adolf und Mao ja die Nr.1-Kerls waren (und sind) und das eines Tages Deutschland und China zusammen in den Himmel aufsteigen werden, so weit ich das richtig verstanden habe.

Und das Hakenkreuz? Das gibts an jeder Ecke, ist es in China doch ein Glueckssymbol! Die verbotene Stadt ist voll davon, selbst in grossen Clubs dient es als Verzierung.


Ist schon komisch, das manche uns fuer die Vergangenheit hassen, manche moegen und manche sagen, wir sollen uns mal gefaelligst locker machen, obwohl wir doch eigentlich selbst am meisten der Meinung sind, das Ganze haette schon lange nichts mehr mit uns zu tun.

Aber seit der Fussball-WM gehts ja aufwaerts... :lol:
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Rainer Backpack
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Wie als Deutscher im Ausland mit Hitlerkommentaren umgehen

Ungelesener Beitrag von Rainer Backpack »

Hey an alle,
auch Bali oder ueberall wo viele Hindus leben wird man immer ein Hakenkreuz sehen, es ist aber eigentlich gar kein Hakenkreuz sondern ein Sonnenrad.
Als ich das das erste mal gesehen habe, habe ich mir auch so gedanken gemacht was diese Menschen damit in vergleich ziehen wenn man als Deutscher letztendlich damit in verbindung gesetzt wird.
Persoenlich habe mich schon ein wenig darauf vorbereitet wenn ich getourt bin und habe meinen gegenueber dann einfach mit einer Frage ueber die Geschichte ( natuerlich ein moeglichst dunkles Kapitel ) seines Landes ueberrascht.
Meistens ist dann erst mal ruhe und im naechsten moment ueberlegt dann erst mal dein gegenueber was er falsch gemacht hat. Dann sieht die konversation gleich ganz anders aus.
Gruss Rainer
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MArtin
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Wie als Deutscher im Ausland mit Hitlerkommentaren umgehen

Ungelesener Beitrag von MArtin »

Hallo :)

Das Thema ist uns unterwegs auch schon öfters begegnet.
Meist entspinnt sich dann ein Gespräch über Minderheiten und Andersartigkeiten, zumal wir als Reisende, umgeben von einer ethnisch unterschiedlichen Bevölkerung, ja selbst stets einer Minderheit angehören.
Diese Gespräche führen fast regelhaft zu der Erkenntnis, dass der Gegenüber die gleichen zwischenmenschlichen Ansichten vertritt wie wir selbst (vielleicht der Grund, das Thema überhaupt angesprochen zu haben) und enden oft brüderlich- einvernehmlich mit einer Einladung auf ein (deutsches) Bier und Wechsel auf ein erfreulicheres Thema.
Rainer Backpack hat geschrieben:... meinen gegenueber dann einfach mit einer Frage ueber die Geschichte ( natuerlich ein moeglichst dunkles Kapitel ) seines Landes ueberrascht.
Statt in einer Negativspirale um das dunkelste Kapitel zu wetteifern, würden wir gemäß "Wo viel Licht ist auch viel Schatten" wohl lieber auf der Sonnenseite bleiben. Mit dem Ansprechen der deutschen Vergangenheit ist ja nur seltenst ein persönlicher Vorwurf vergesellschaftet.

Zum Hakenkreuzsymbol gefunden:
http://www.lokis-mythologie.de/hakenkreuz.php
http://www.shoa.de/content/view/438/41/

Liebe Grüße :)
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Ev
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Wie als Deutscher im Ausland mit Hitlerkommentaren umgehen

Ungelesener Beitrag von Ev »

Hallo Zuhause,

finde es gut von dir Felix, dass du dieses Thema aufgreifst.
Bin in den letzten Monaten auch immer wieder auf die Hitlerzeiten angesprochen worden und irgendwie ist es mir immer total unangenehm und ich weiss nie richtig was ich darauf antworten soll.

Ein Erlebniss war,dass als wir die Grenze von Bolivien zu Paraguay ueberquert haben,uns der Grenzbeamte mit "Heil Hitler" begruesst hat, als er den Passport sah.
Ich konnte gar nichts darauf antworten, weil ich viel zu geschockt war.

Ein anderes Mal sassen wir mit ein paar Israelis zusammen, die ploetzlich anfingen Witze ueber den 2 Weltkrieg zu erzaehlen. Das fand ich mal total seltsam. Die haben sich naemlich nicht ueber die Deutschen lustig gemacht, sonder ueber sich selbst.
Als ich das Ganze gar nicht komisch fand, haben sie gemeint, das waere bei ihnen Normal.

Ich bin auf alle Faelle immer froh, nicht auf das Thema angesprochen zu werden.

LG aus Australien,
Eva
http://www.chicks-on-feet.de/
Nur Reisen ist Leben, wie umgekehrt Leben Reisen ist
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katzelmacha
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Beiträge: 23
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Wie als Deutscher im Ausland mit Hitlerkommentaren umgehen

Ungelesener Beitrag von katzelmacha »

also cih wurde auf sumatra von nem indonesia gefragt wo ich denn her komme....ich sagte "österreich"das erste was ihm einfiel war hitler.. :lol:
noexpect
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Beiträge: 10
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Wie als Deutscher im Ausland mit Hitlerkommentaren umgehen

Ungelesener Beitrag von noexpect »

hi an alle!!

jedem reisenden wird es frueher oder spaeter so gehen, dass er auf hitler, nazi oder 2.wk angesprochen wird.

hier in der karibik hat mich auch mal jemand mit "heil hitler" beeindrucken (oder provozieren) wollen.

als ich ihn gefragt habe was er denn ueber hitler wuesste. 'ein grosser deutscher fuehrer' wurde mir geantwortet.

ich habe ihn einfach aufgeklaert, das er verantwortlich fuer den tod von ca. 6 millionen juden, behinderten, schwulen und auslaendern (fingerzeig auf seine hautfarbe) war.

er gab ziemlich beschaemt zu, dass der hitlergruss wohl doch nicht seine beste idee des tages war und er wird sich ueberlegen wenn er das naechste mal mit deutschen zusammentrifft....

ich habe die erfahrung gemacht, dass die meisten einfach keine ahnung haben und, wie auch schon in anderen postings erwaehnt, als witzig auffassen.

mit sonnigen gruessen und sandigen fuessen, jan.
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NatalieP
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Wohnort: Bremen

Wie als Deutscher im Ausland mit Hitlerkommentaren umgehen

Ungelesener Beitrag von NatalieP »

@noexpect
Stimmt, oft ist es eher positiv gemeint, wenn jemand dich im Ausland mit Hitlergruß etc begrüßt. Klingt ziemlich seltsam, aber sie bringen es mit Deutschland und unsere Kultur in Zusammenhang und denken, wir würden uns freuen, dass sie sich dafür interessieren. Wenn es also nicht ganz so bitter und mit so Furchtbarem verbunden wäre, würden wir das ja wahrscheinlich auch.

Also, es ist einfach eine Tatsache, dass (fast) jedes Land in seiner Historie schreckliche Ereignisse und Entwicklungen zu verantworten hat. Stalin, Mussolini, Mao, Hussein, Bush und eben auch Hitler, die Listen sind beliebig weiterzuführen. Es gibt eine wahre Liga von Grausamen Menschen und leider ist Hitler die populärste, vllt auch, weil Rechtsextremismus heute noch sehr aktuell ist.
Ich kann es nachvollziehen, bin es aber sehr leid, mir von Ausländern und auch oft von Deutschen anhören zu müssen, dass mein Patriotismus unangebracht ist.
Und so gehe ich auch mit Kommentaren um, ja ich bin Deutsche, mir ist bewusst, dass viele Unschuldige im 3.Reich umgebracht worden sind, das tut mir leid, aber ich bin nicht schuldig und werde mich auch nicht entschuldigen. Denn jedes Volk hat ein Recht stolz zu sein und dass uns Deutschen immernoch gerne die Täterrolle zugeschoben wird ist ziemlich bitter.
Krucki
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Wie als Deutscher im Ausland mit Hitlerkommentaren umgehen

Ungelesener Beitrag von Krucki »

NatalieP hat geschrieben:Und so gehe ich auch mit Kommentaren um, ja ich bin Deutsche, mir ist bewusst, dass viele Unschuldige im 3.Reich umgebracht worden sind, das tut mir leid, aber ich bin nicht schuldig und werde mich auch nicht entschuldigen. Denn jedes Volk hat ein Recht stolz zu sein und dass uns Deutschen immernoch gerne die Täterrolle zugeschoben wird ist ziemlich bitter.
Du sagst das jetzt mal so locker daher...lässt sich ja auch leicht machen, wenn man nicht grad jmd. in der Familie der in der Hitlerzeit ins KZ geschickt wurde oder so...
ich bin der Meinung, dass man in Deutschland und Österreich anstatt heuchlerisch zu sagen "wir Armen werden ja immer in die Täterrolle geschoben" mal wirklich darüber nachdenken sollte um was es dabei geht, wenn man von der NS-Zeit spricht...
Weil aber genau dies nicht gemacht wird kommen nur allzuleicht Sprüche von Deiner Sorte und man sehe sich um in Deutschland und Österreich: Rechtsextremismus ist wieder stark auf dem Vormarsch und "moderne" Politiker, welche massiv Rechtspopulismus betreiben gewinnen bei jeder Wahl an Stimmen dazu.
Es ist nicht, dass uns andere die Täterrolle zuschanzen müssten...dafür sorgen wir schon selbst!!

Und zu Deiner Aussage, dass jedes Volk stolz sein kann. Ich bin der Meinung, dass es sowieso nur ein Volk auf der Erde gibt --> das Erdenvolk nämlich!! Oder was hast Du dazu beigetragen, dass Du Dich stolz zum deutschen Volk rechnen kannst?? Wahrscheinlich nicht mehr, als dass Du in Deutschland geboren wurdest.

Zum eigentlichen Thema: kann leider nicht allzuviel dazusagen, da ich komischerweise auf keiner Reise bis jetzt mit Hitler konfrontiert wurde. Glaube nicht, dass ich da die Ausnahme bin...wenns mir mal passiert? --> keine Ahnung...werd dann wohl darüber berichten, was mir spontan als Kommentar einfiel...

Grüße,

Krucki
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