schwierige Rückkehr - nicht mehr dort, noch nicht hier

Nach längerem Reiseleben ist nichts mehr, wie es vorher war: Die Heimat nicht und man selbst schon gar nicht. Und dann trotzdem: Business as usual?
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Ishara
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schwierige Rückkehr - nicht mehr dort, noch nicht hier

Ungelesener Beitrag von Ishara »

Hallo,

Ich freue mich sehr, dass es auch ein Forum gibt für Heimkehrer.nach längerem Auslandsaufenthalt. Bin vor knapp 3 Jahren nach Mali/Westafrika ausgewandert und nun seit 4 Wochen wieder zurück. Aber irgendwie habe ich das Gefühl, dass ich nicht wirklich hier bin, es scheint, als wenn ein Teil von mir noch in Afrika lebt. Auch brauche ich für alles viel, viel Zeit, habe ein regelrechtes „Chaos im Gehirn“, verlege ständig meine Sachen oder finde das eine oder andere nicht mehr. Als ich letztens in meinen geliebten Bergen war (komme aus Bayern), konnte ich dies gar nicht so recht genießen, ich habe plötzlich die Hügel von Bamako um mich herum gesehen; auch fühle ich mich oft traurig, wenn ich an das Land denke. Irgendwie möchte ich gar nicht so recht hier ankommen. Nun frage ich mich, wie so etwas möglich ist, da ich wirklich keine leichte Zeit in Mali hatte (als Frau alleine muss man sich ständig gegen die „Angenbote“ der Männerwelt wehren). Ich habe mich sehr oft nach Deutschland gesehnt, wenn ich mal wieder "Opfer" der ständigen Provokationen der malischen Männer wurde. Oft hatte ich wirklich genug von meinem Aufenthalt in Mali. Doch auf einmal vermisse ich dieses Land sehr. Und mit dieser Zerrissenheit zu leben ist nicht einfach. Auch verstehen mich meine Mitmenschen nicht, obwohl sie immer bestätigen, ich solle mir Zeit zum Ankommen lassen. Ich habe große Probleme, mich hier wieder auf Arbeitssuche und Wohnungssuche zu machen (habe das große Glück, dass ich bei Leuten vorübergehend wohnen kann und zudem ALG-II bekomme). Doch wie lange hält dieser Zustand an? Was kann ich machen, um mich hier wohler zu fühlen? Ist das normal, wie ich mich fühle? Ich wäre euch für ein paar Tipps sehr dankbar.

Liebe Grüße
Ishara

P.S. Habe ganz vergessen zu erwähnen, dass es kurz vor meiner Heimreise zu einem Militärputsch kam und die Lage in Mali äüßerst angespannt war. Aus diesem Grund musste ich auch früher zurückfliegen.
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Astrid
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Rückkehr mit Schwierigkeiten

Ungelesener Beitrag von Astrid »

Hallo Ishara und Willkommen zurueck :)
Bin vor knapp 3 Jahren nach Mali/Westafrika ausgewandert und nun seit 4 Wochen wieder zurück.
3 Jahre, wie die Zeit vergeht... - gut kann ich mich noch an Deine Fragen waehrend der Vorbereitungszeit erinnern. Doch auch wenn diese Zeit in Null, Komma, Nix vergangen scheint, kannst Du Dich vielleicht an Situationen vor Deiner Abreise erinnern, in denen Du Dich aehnlich im Sinne von "nicht mehr hier, und noch nicht dort" gefuehlt hast?! Vielleicht nicht so ausgepraegt oder beunruhigend, aber auch voruebergehend!

Dass Du Dich noch nicht wieder wirklich wieder angekommen fuehlst, kann nicht nur ich Dir bestens nachempfinden, zumal Du ja nicht ganz freiwillig zum gegenwaertigen Zeitpunkt zurueck gekommen bist... S.a.:

-> Wiedereingliederung in den Alltag nach Langzeitreisen o.ä.
-> Zurueck - orientierungslos - und irgendwie verloren...
-> Nach der Reise, vor der Reise oder: Was will ich eigentlich?
-> wie betäubt - zurück in Deutschland - nach 2 1/2 Jahren
- Rückkehr, Kulturschock und Arbeitssuche
u.a..

Ich habe mich aehnlich gefuehlt, als wir nach "nur" 15 Monaten Tonga voruebergehend zurueck nach Deutschland mussten. Immer wieder habe ich an Tonga gedacht, war traurig wieder in D zu sein, hatte schnell Traenen in den Augen, wenn ich von Tonga (mein Lieblingsthema zu der Zeit ;)) erzaehlt habe, wobei viele Menschen etwas verstaendnislos mit dem Kopf geschuettelt haben, wenn ich von den dortigen, ebenfalls nicht einfachen Lebensbedingungen erzaehlt habe und mich fragten, was es mir denn so schwer mache, nicht mehr dort zu sein.
Daher meine Frage an Dich: "Was macht es Dir so schwer, wieder in Deutschland und nicht mehr in Mali zu sein? Was vermisst Du?"

Geholfen haben mir waehrend der Zeit in D zwei Dinge. Der Satz "keep your traveler eyes" verfuehrte mich immer wieder dazu scheinbar Bekanntes auf neue Weise wahr zu nehmen :cool:. Und mein Wunsch/Wille, mich auch wieder in D wohl zu fuehlen. auf die positiven Aspekte zu fokussieren. Was es dazu braucht, mag fuer jeden etwas anderes sein. Fuer mich war es vor allem, einen eigenen Platz zum Trauern zu haben und die guten Aussichten, wieder in meinem Beruf arbeiten zu koennen.

Dennoch hat es gedauert, bis sich meine Traurigkeit und das Gefuehl der inneren Zerrissenheit gelegt hat. Erst, als ich mich wieder ein wenig "sortiert" hatte, neue Perspektiven und eine neue Tagesstruktur entwickelt hatte, hat das Gefuehl, im Niemandsland zu haengen, nicht mehr dort, aber auch noch nicht wirklich hier zu sein, langsam, 3-4 Monate ? :roll: aufgehoert...

Auch im Nachhinein empfinde ich so einen Zustand aber als "normal". Trennungen, Veraenderungen, Abschied nehmen, das braucht halt Zeit fuer Trauer, beim einen mehr, beim anderen weniger. Zu den einzelnen Trauer-Phasen findest Du mehr z.B. bei Wikipedia: Trauer.
Wobei Trauer nicht auf den Tod oder Trennung von geliebten Menschen beschraenkt ist, sondern genauso auftreten kann, wenn man seinen Job, sein Haus, seine Kindheit oder Jugend oder seine Heimat verliert. Zu einem Land, in dem man knapp 3 Jahre gelebt hat, entwickelt fast jeder von uns ein Heimatgefuehl, ob das Leben dort geliebt oder ungeliebt, einfach oder schwer ist.

Und vielleicht kommt noch ein gewisser Kulturschock hinzu, der vor dem Aufbruch in die Fremde aller Regel antizipiert wird, nach der Rueckkehr als Eigenkultur-Schock oder "fremd im eigenen Land" jedoch haeufig unterschaetzt wird.

Ich hoffe, das Lesen der Links und Beitraege hilft Dir ein wenig beim Ankommen. Vielleicht hilft es Dir auch, Dir das Ganze von der Seele zu schreiben, z.B. in Deinem Vorstellungsthread oder auch in Info-Form einzelthematisch zu posten :idea:.

Erinnern, das ist vielleicht die qualvollste Art des Vergessens und vielleicht die freundlichste Art der Linderung dieser Qual. (Erich Fried)

Fuer heute erstmal liebe Gruesse
Astrid (bei der Tonga einen Platz im Herzen hat, an den sie jederzeit gehen kann :))
Eine fremde Kultur ergründen zu wollen, ist wie der Versuch, den Horizont zu erreichen... Irgendwann steht man wieder an dem Punkt, an dem man begonnen hat - doch der Blick zum Horizont ist ein anderer. [A. Bokpe]
tina1234
Kiebitz
Beiträge: 6
Registriert: 08 Apr 13 21:59

schwierige Rückkehr - nicht mehr dort, noch nicht hier

Ungelesener Beitrag von tina1234 »

Liebe Ishara,

wie gehts dir jetzt? Ich bin genau in der gleichen Situation. Habe in Südafrika gelebt und hatte es oft so satt und hatte schwere Zeiten vermisse es jetzt aber trotzdem sehr und fühle mich sehr traurig. Bin seit 3 Monaten zurück hab auch wieder einen neuen Job und eine neue Wohnung aber vermisse Kapstadt sehr. Noch dazu kommt dass meine Beziehung dort in die Brüche gegangen ist. Das war mit ein Grund warum ich zurück bin weil er mich einfach von heute auf morgen mit allem stehen hat lassen. Mit Wohnung gemeinsam gebuchter Reise usw...

Bist du wieder glücklich mittlerweile?

Alles Liebe
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