Kongo: Vorsicht beim Fotografieren in Goma

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afreaka
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Kongo: Vorsicht beim Fotografieren in Goma

Ungelesener Beitrag von afreaka »

Auszug aus meinem Reisetagebuch 2007:

… Am nächsten Tag wollen wir einen kurzen Abstecher ins kongolesische Goma machen, dessen Häuser wir am Lake Kivu schon sehen können.
Es ist Sonntag. Die Sonne scheint. Nach dem Frühstück laufen wir zur Grenze. Der Übergang befindet sich nur ganze 500 m von unserer Unterkunft in Gisenyi entfernt. Die Formalitäten auf ruandischer und kongolesischer Seite sind flott erledigt…

Die Stadt Goma beginnt gleich am Grenzpunkt. 2002 war hier der Nyirangongo ausgebrochen, einer der großen Virunga-Vulkane. Der gewaltige Lavastrom wälzte damals einen Teil von Goma nieder. Selbst fünf Jahre danach sind noch immer nicht alle Spuren der Katastrophe beseitigt…

Zu Fuß bewegen wir uns in Richtung Nyirangongo… „Was machen Sie da, haben Sie eine Fotogenehmigung?“, brüllt mich plötzlich jemand von der Seite an, als ich die Kamera zum Foto ansetze. Ich entgegne: Was für eine Genehmigung? Ich will nur den Vulkan fotografieren. Mir ist nicht bekannt, dass ich dafür eine Fotogenehmigung brauche. Daraufhin hält mir der Typ kurz seinen Ausweis vor die Nase und behauptet, Agent von der Zivilpolizei zu sein. Dann unterstellt er mir, ich hätte den Flughafen fotografiert, was nicht wahr ist und ich sofort verneine. Er will meinen Pass sehen und fordert uns auf, ihn sofort ins Büro seines Chefs zu begleiten. Das hat uns gerade noch gefehlt. Doch seine bedrohende Art auf mich loszugehen, schüchtert ein, veranlasst mich tatsächlich meinen Pass zu zeigen. Im selben Moment bereue ich diesen fatalen Fehler. Er reißt ihn mir aus der Hand und fordert uns erneut auf, ihm ins Büro zu folgen.

Was ist los, in was für Schwierigkeiten sind wir geraten? Ich denke an unsere kühnen Vorsätze – wie war das doch gleich: Im Urlaub muss alles anders sein. Und wer Afrika erkunden will sollte nichts auslassen. Jetzt haben wir den Dreck.

Als der angebliche Polizist merkt, dass ich kein Französisch spreche, meidet er ab sofort die englische Sprache und redet nur noch in Französisch auf meine Begleiterin ein. Was für eine perfide, hinterhältige Methode! Uns ist klar, dass es nur eine Lösung für uns gibt: Wir müssen zurück zum Grenzübergang, um dort alles zu klären. Schließlich hat man uns im Grenzbüro nichts von einer erforderlichen Fotogenehmigung gesagt.

Der Gang zur Grenze ist genau das, was der aggressive Typ zu verhindern versucht. Er zeigt zu einer Seitengasse, wo das vermeintliche Büro seines Chefs wäre. Nebenbei telefoniert er total gereizt über sein Handy. Während wir schon die richtige Richtung zur Grenze eingeschlagen haben, überlegen wir noch immer, ob die fiese Person ein Offizieller oder nur ein Ganove ist. Wir wissen es noch nicht und wollen keine weiteren Fehler machen.

Beim Laufen gesellt sich ein anderer Mann zu uns und geht mit. Wir versuchen durch gezielte Fragen von ihm zu erfahren, ob wir es wirklich mit einen Polizisten zu tun haben. In dieser Diskussion betone ich eindringlich, dass der Pass in der Hand des Aggressiven mir gehört. Was nun passiert, hätte ich nicht vermutet: Ich bekomme meinen Pass zurück. Ich atme auf und kann endlich wieder etwas klarer denken.

Wir laufen weiter, werden immer schneller. Beide Männer folgen uns und diskutieren in ihrer Sprache. Dann schlägt der Hinzugekommene eine andere Richtung ein. Und wieder wird heftig telefoniert. Unsere Schritte werden noch schneller. Die Angst sitzt uns im Nacken. Ich sage: Wir laufen jetzt gezielt zur Grenze und ignorieren alles.

Unerwartet verlässt der aggressive Agent telefonierend die Hauptstraße und biegt in eine Seitengasse ab. Sind wir ihn los? Wollen wir uns nicht zu früh freuen! Mindestens eine halbe Stunde Weg ist es noch bis zur Grenze. Kein Taxi ist zu sehen, was uns fortbringen könnte. Und ein Mopedtaxi kommt nicht in Frage, denn das würde uns womöglich trennen.
Drei Minuten später hält ein Moped neben uns. Ein anderer Mann, einer im langen afrikanischen Gewand, steigt ab und verfolgt uns. Ist er die Ablösung? Nach kurzer Zeit spricht er uns an: „Begleiten Sie mich zum Büro!“ Der Aggressive vom Anfang taucht auch wieder auf. Wir lassen uns auf keinerlei Gespräche mehr ein und laufen und laufen.

Je näher wir zur Grenze kommen, umso mehr bedrängen uns die zwei Männer. Passanten weichen uns aus, womöglich sind ihnen unsere Begleiter bekannt und sie haben Angst.
Immer wieder heißt es: „Es ist kein großes Problem, das mit der Fotogenehmigung ist im Polizeibüro schnell geklärt.“ Jetzt stellen sie sich regelrecht in unseren Weg. Bisher gab es keine körperliche Gewalt und Waffen sind auch nicht sichtbar.

An der nächsten Kreuzung sprechen wir einen Passanten an, bitten ihn um Hilfe. Beschwichtigend rät er uns: „Gehen Sie ruhig mit ins Polizeibüro, dort wird alles schnell geklärt, da ist es.“ Gegenüber hängt wirklich das Schild einer Polizeistation. Für uns entsteht in diesem Moment der Eindruck, dass der Gang zur Polizei wirklich Klärung bringen kann. Zur Grenze versperren sie uns sowieso den Weg. Okay - lass uns die ungerechtfertigten Anschuldigungen aus der Welt schaffen. Wenn das Polizisten sind, dann lassen sie uns ohne Klärung sowieso nicht gehen.

Wir gehen mit. Doch werden wir am Polizeigebäude vorbei geleitet, mit der Bemerkung, dass das „Secret Service Office“ gleich um die Ecke ist. Wieso nennt er plötzlich die englische Bezeichnung für Geheimdienst? Soll es auch für mich sofort verständlich sein? Die Bemerkung soll wohl Druck erzeugen?

Durch einen offenen Garten führt man uns zu einem nichts sagenden Gebäude, vor dessen Hintereingang mehrere Männer stehen, die uns jedoch nicht erwarten. Über eine Außentreppe betreten wir ein Büro. Zuvor hatte ich verlangt, dass wir den zuständigen Offizier sprechen können. Ich bin der Meinung, dass man gleich mit dem Chef reden muss. Stühle werden uns vor dem leeren Schreibtisch angeboten. Aber zunächst sollen wir die Kameras auspacken. Die Digitalkamera meiner Begleiterin ist schnell gecheckt, nichts wird beanstandet. Von mir verlangen sie, den Film aus der Kamera zu nehmen.
War es ein weiterer Fehler in dieses Büro zu gehen? Hätten wir nicht einfach zur Grenze rennen können? Wie naiv, so zu denken! Aber wie hätten sie uns aufgehalten? Hätten sie oder weitere Gehilfen womöglich auf uns geschossen? Würden sie uns auch noch Fluchtversuch zur Last legen? Viele Fragen und keine einzige Antwort. Ich öffne die Kamera und ziehe den Film so heraus, dass alle Bilder verloren gehen. Auch wenn ich nicht glaube, dass man in Goma einen Diapositivfilm entwickeln kann, gehe ich auf Nummer sicher. Auf einem Foto von gestern wäre möglicherweise ein Soldat auf dem Fischmarkt zu sehen. Ich darf keine weiteren Risiken eingehen.

Der angebliche Offizier betritt den Raum. Ein feiner Pinkel im teuren Anzug. Seine erste Handlung: Er putzt sich mit dem Taschentuch seine Hochglanz-Lackschuhe. Als er damit fertig ist, spielt er mit seinem nagelneuen Luxus-Mobiltelefon. Er sagt kein einziges Wort. Jetzt ist mir alles klar: Wir sind einer kriminellen Bande, einer Mafia auf den Leim gegangen. Mit ihren Handys sind sie perfekt organisiert.

Der Kongo ist voll von skrupellosen Banditen und einstigen Soldaten. Sie plündern und drangsalieren seit Jahrzehnten das Land und die Bevölkerung. „Legst du dich mit dem Leoparden an, musst du auch seine Kratzer in Kauf nehmen“, besagt ein afrikanisches Sprichwort. Der gefürchtete „Leopard“ Moputu ist zwar längst tot, doch hat dieser reichlich „Leopardenbabys“ im Kongo hinterlassen. Und die machen mehr als Kratzer. Sie plündern, vergewaltigen und morden. Täglich gehen sie auf Beutezug. Oder liege ich falsch mit der Vermutung und die Bedränger gehören doch zum korrupten Geheimapparat von Kabila? Wir wissen es nicht, auch nicht, welche der beiden Gruppierungen gefährlicher für uns ist.

Keiner von den drei Herren stellt Forderungen oder verlangt etwas. Sie halten uns lediglich wiederholt die fehlende Fotoerlaubnis vor. Was wollen sie damit bewirken? Sollen wir uns freikaufen? Sie spielen mit unserer Zeit. Mir reicht es, ich frage jetzt: Wie viel wollt ihr?

„Tausend US-Dollar“, schießt es dem aggressiven Kerl aus dem Mund. Wir lachen und erklären: „So viel haben wir nicht mit.“ Der im afrikanischen Gewand schreibt daraufhin „500“ auf einen Zettel – damit ist der Handel eröffnet.

Wieso eigentlich Demokratische Republik Kongo – als ob es in diesem Lande Demokratie gäbe oder sie in Aussicht stände. Komisch eigentlich, dass man offiziell im Westen dieses Land mit dem neuen Namen betitelt, es mit Demokratie verbindet. Beim Kürzel DDR wird bis heute das zweite D nicht ausgesprochen, was okay ist, obwohl wir im Osten nicht annähernd die Zustände wie im Kongo hatten. Was soll man davon halten und wer hat den ganzen Schwindel verzapft? Die Wahlen im Kongo sind schon ein ganzes Jahr her, doch der Wahnsinn tobt noch immer. Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer, eine Wahl nicht gleich Demokratie.

Ich notiere das Gegenangebot: „50“. Darauf tritt der „Lackschuh-Offizier“ an den Tisch und schreibt „200“ zwischen die Angebote. Als wir erneut ablehnen, droht der Aggressive, uns bis morgen hier festzuhalten, einzusperren.

Der Schniegelmann verlässt den Raum. Können wir hier von irgendjemandem Hilfe erwarten – sicher nicht. Wir sind selbst Schuld, dass wir in dieser Klemme stecken, nun müssen wir es ausbaden. Während die Banditen sich in ihrer Sprache beraten, mache ich meiner Begleiterin klar, dass ich das Geld gleich zahlen werde. Es macht keinen Sinn mehr, zu diskutieren. Es wäre auch vergeudete Zeit bei der Botschaft anzufragen. Die in Kinshasa ist fern, die in Ruanda hat Innenrevision und will bestimmt nicht gestört werden. Ich frage nach dem Quittungsbeleg für unsere Fotoerlaubnis und werde ausgelacht.

Ich ziehe die Dollarnoten aus meiner Tasche, stehe auf und knalle sie auf den Tisch. Wir haben schon viel zu viele Fehler gemacht, wir müssen fort – sage ich laut auf Deutsch. Gierig stürzen sich die Erpresser auf das Geld. Geschwind trete ich zur offenen Tür, rufe den Männern im Hof zu, dass wir soeben zweihundert Dollar gezahlt haben und ziehe meine Frau hinter mir her. Der aggressive „Affe“ will sich noch in den Weg stellen, doch zu spät. Wir rennen die Freitreppe hinunter, verlassen fluchtartig das Grundstück. Nach acht Minuten stehen wir am Schlagbaum...

Fotos zur Reise unter www.afreaka.de

Jörg
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Matt_F
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Kongo: Vorsicht beim Fotografieren in Goma

Ungelesener Beitrag von Matt_F »

Hallo Jörg,

oh man das klingt echt nach ner absolut brisanten Geschichte...
Zum Glück seid Ihr da nochmal heile rausgekommen.

Gruß
Matt
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"Ein Fremder ist nur ein Freund, den man noch nicht kennt."

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der Bär
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Kongo: Vorsicht beim Fotografieren in Goma

Ungelesener Beitrag von der Bär »

Guten Morgen,

was für eine Geschichte! Ich hab grad mal recherchiert - ich weiß z. B., dass es in K amerun verboten ist, öffentlich zu fotografieren - und das hier
vom Auslandsbüro der Konrad-Adenauer-Stiftung zu "Fotografieren im Kongo" gefunden:
http://www.kas.de/proj/home/pub/7/1/dok ... index.html


Liebe Gruesse
der Bär
...and I, I took the one less travelled by, and that has made all the difference. Robert Frost
BikeAfrica
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Kongo: Vorsicht beim Fotografieren in Goma

Ungelesener Beitrag von BikeAfrica »

der Bär hat geschrieben:Guten Morgen,

was für eine Geschichte! Ich hab grad mal recherchiert - ich weiß z. B., dass es in K amerun verboten ist, öffentlich zu fotografieren
-> siehe bitte: K amerun: Fotografieren in K amerun nicht generell verboten

Gruß
Wolfgang
Es gibt vierzig Arten von Wahnsinn, aber nur eine Art von gesundem Menschenverstand (Ghana)
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