Wiedereingliederung in den Alltag nach Langzeitreisen o.ä.

Nach längerem Reiseleben ist nichts mehr, wie es vorher war: Die Heimat nicht und man selbst schon gar nicht. Und dann trotzdem: Business as usual?
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der Bär
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Wiedereingliederung in den Alltag nach Langzeitreisen o.ä.

Ungelesener Beitrag von der Bär »

Guten Morgen,

noch nicht richtig wach - aber so zwischen Tag und Traum hat man ja manchmal die besten Gedanken. Ich hab nicht nur zwei Leben (hier in Deutschland und dort auf Reisen), sondern mindestens drei. Fühle mich nämlich da, wo ich bin, auch irgendwie fremd. Fremde Stadt, fremde Menschen, nach über 1,5 Jahren nicht angekommen. Manchmal fühl ich mich so tot, weils mich so wenig berührt, was diese Stadt und dieses Leben hier mit mir machen.

Und das Fernweh ist schlimmer denn je. Vor nicht mal nem halben Jahr aus Indonesien zurückgekommen, hab ich grad das Gefühl, ich werd schon wieder verrückt vor Sehnsucht.

Frag mich, ob das damit zusammen hängt. Mit dem Nicht-Angekommen sein. Oder ob nicht. Vielleicht muss ichs einfach mal als Teil von mir akzeptieren. Vielleicht komme ich ja nie an. Soll wohl auch nicht so sein.

Wem gehts auch so?

Hab gestern Abend einen Tagebuch-Eintrag von dieser Indonesien-Reise gefunden: Der Tod ist der Tod der Form. Nicht des Inhalts.

Kaffee. :P
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Tiroler
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Ungelesener Beitrag von Tiroler »

bin seit einem halben jahr in thailand..und muss vielleicht im mai zurueck nach oesterreich...obwohl mir thailand nicht mehr so gefaellt wie frueher..fuehle ich mich hier ein wenig...zuhause. Ich kenne jetzt viele leute..finde mich alleine zurecht..spreche ein wenig thai... *lol* mir kommt vor ich lebe schon seit jahren hier..und ich kann mir jetzt gar nicht vorstellen wie mein leben in oesterreich oder deutschland sein wird...
Je laenger und oefter ich reise..desto weniger habe ich eine heimat...im gegenteil ich hab jetzt viele :D
2 x China, 20 x Thailand, 3 x Neuseeland, 5 x Cook Inseln, 3 x Spanien , 2 x Jamaika, 2 x Kuba , 4 x Frankreich, 2 x Schweiz, 1 x Brasilien, 1 x Dubai, 1x Nepal, 1 x Kenia, 4 x USA, 1 x Indien, 1 x französisch Polynesien, 2 x Kambodscha, 1 x Australien. Unzählige Male in Deutschland und Italien, England (nur London), Ägypten, Kroatien, Slowenien, Dominikanische Republik, Malediven (vilamendhoo), Ungarn, Indonesien, Mexiko

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der Bär
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Ungelesener Beitrag von der Bär »

Schön, dass es anderen auch so geht. Vielleicht stimmts ja einfach: home is where the heart is.

Sollte mir vielleicht mal überlegen, wo mein Herz grad ist :roll:

Ich glaub, ich hab auch keine Heimat. Damit verbind ich immer das kleine Dorf, wo ich meine Kindheit verbracht hab. Aber das passt längst nicht mehr. Da fühl ich mich ja fremder als irgendwo sonst. So total unfrei und ohne Luft zum Atmen. Das ist wie ein zu eng geschnürtes Korsett. Also ob die kleine Welt da sich kein bißchen verändert hätte und ich da total rausgewachsen bin im Laufe der Zeit.

mh. Erstmal wieder Kaffee....der Frühdienst killt mich.
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Tiroler
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Ungelesener Beitrag von Tiroler »

der Bär hat geschrieben:Schön, dass es anderen auch so geht. Vielleicht stimmts ja einfach: home is where the heart is.

Sollte mir vielleicht mal überlegen, wo mein Herz grad ist :roll:

Ich glaub, ich hab auch keine Heimat. Damit verbind ich immer das kleine Dorf, wo ich meine Kindheit verbracht hab. Aber das passt längst nicht mehr. Da fühl ich mich ja fremder als irgendwo sonst. So total unfrei und ohne Luft zum Atmen. Das ist wie ein zu eng geschnürtes Korsett. Also ob die kleine Welt da sich kein bißchen verändert hätte und ich da total rausgewachsen bin im Laufe der Zeit.

mh. Erstmal wieder Kaffee....der Frühdienst killt mich.
Ich komme jetzt in ca. 2 wochen zurueck in meine "heimat"..die ich nach 200 tage thailand u. kamb...als sehr weit weg, sehr fremd ansehe..

Ich sehe es jetzt als herausforderung..mich wieder in die neue alte heimat einzuleben..
Ich hab mir gerade gedacht wieviele leute koennen nicht mehr zurueck in ihre heimatlaender..wegen der politischen situation usw.

Ich bin sehr dankbar das ich in oesterreich geboren bin...wo ich gehen und kommen kann wann ich will..mag sein das ich nicht immer mit den leuten dort auskomme...aber sie haben oft nicht das glueck das ich hatte.

Reisen sprengt die bekannten grenzen..eroeffnet neue chancen...und ohne meiner heimat waere ich heute nicht da wo ich bin.
Was nicht passt..wird passend gemacht :D

l.g Martin
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Sun
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Wiedereingliederung in den Alltag nach Langzeitreisen o.ä.

Ungelesener Beitrag von Sun »

Meiner Erfahrung nach, hängt es auch etwas damit zusammen, wie die Situation nach der Reise ist. Als ich nach 7 Monaten aus Südamerika zurückgekommen bin, hatte ich wieder einen Job, den ich schon vorher organisiert hatte. D. h. am Donnerstag kam ich an, am Wochenende Freunde und Familie besuchen und am Monatag direkt rein in einen neuen Job. Auch eine Wohnung habe ich sofort gefunden. So bleibt gar keine Zeit Gedanken an Begriffe wie "Wiedereingliederung" oder "Fernweh" zu haben.

Jetzt komme ich von 3,5 Monaten Nepal zurück und die Voraussetzungen sind völlig anders. Ich muss gezwungenermassen bei den Eltern wohnen und einen Job habe ich noch nicht einmal in Aussicht. Die Wohnungssuche gestaltet sich auch schwer. Der Haussegen hängt schief. Freunde sind viele weggezogen. Somit habe ich viiiiiiieeeeel Zeit mich mit mir, dem Reisen und meinen nicht vorhandenen Plänen auseinander zu setzen. Zu viel Zeit...

Einerseits bin ich wieder zu Hause, andererseits ist es fremd. Ich kann mich nicht eingliedern, ich weiss auch nicht wo genau ich hingehöre. Das Gedankenchaos in meinem Kopf fängt an zu nerven. Vielleicht will ich mich auch nicht damit auseinandersetzten? Es ist so anstrengend...!

Jedenfalls habe ich die "Wiedereingliederung" bis jetzt noch nie als so schwierig empfunden. Wieso weiss ich auch nicht, aber wie schon gesagt, die persönliche Lebenssituation (Familie, Job oder nicht, Wohnung etc.) macht bestimmt viel aus.

Andere Dinge die einem nach der Reise o.ä. sofort auffallen, wie Pünktlichkeit, Ordnungswahn usw. sind ja irgendwie normal.
Als ich aus Nepal zurückkam, wo sich stellenweise die Abfallberge an den Strassenrändern häufen, las ich als einen der ersten Berichte in der Zeitung einen Artikel über das (angebliche) "Littering-Problem" in der Schweiz! In der Schweiz!!!! Littering!!! Dabei sehe ich keinen Papierfetzen auf der Strasse!
Aber ich habe gelernt, diese Dinge differenzierter anzusehen. Ich glaube, wenn wir nicht so pingelig wären, hätten wir diese Sauberkeit und Wohlstand nicht. Und solche Dinge sollte man auch bemerken. Schliesslich sind wir privilegiert und können immer wieder zurück in unsere Heimat.

Das Wiederheimkommen hat immer zwei Seiten. Ich bin gespannt, wie lange es dauert, bis ich wirklich wieder hier ankomme. Im Moment bin ich eine Hülle mit gedanklichen Wirbelstürmen innen drinn..

Liebste Grüsse an alle Heimkehrer!
Tiroler
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Wiedereingliederung in den Alltag nach Langzeitreisen o.ä.

Ungelesener Beitrag von Tiroler »

Genauso wie reisen ist auch das "Heimkommen" oft eine herausforderung..
Ich versuche meine reiseerkenntnisse zurück ins "tägl." leben zu bringen.
An diesen situationen wachsen wir.
Früher habe ich oft mein leben in reiseleben..und heimatleben getrennt..was eigentlich ein blödsinn ist...das ganze leben ist eine reise.
Ich glaube die probleme mit der wiedereingliederung kommen vom anhaften an das reiseleben..man sagt man versteht oft die anderen nicht.
Da sind wir oft ein wenig egoistisch, wir können nicht erwarten das die leute in unserer "heimat" uns verstehen können...
Eine wochen..od. jahre lange reise sprengt..unser schubladendenken..leider meistens nicht das unserer mitmenschen.

Aber haben wir nicht auch geduld auf unseren reisen gelernt?
Diese können wir jetzt bei unserem wiedereinstieg testen 8)

l.g martin
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Dany30
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Wiedereingliederung in den Alltag nach Langzeitreisen o.ä.

Ungelesener Beitrag von Dany30 »

Hallo Zusammen,

ja das is ja wirklich interessant eure Berichte zu lesen.
Und wie interessant, dass es auch seit 2003 immer wieder aktuell ist.

Ich befinde mich gerade noch so mitten in meiner Reise, gerade in Israel u goenne mir eine Weile zum Reise verschnaufen.

Ich habe keine wirkliche Freude mehr mir irgendwelche Gebaude anzuschauen u von einem Ort zum naechsten zu ziehen.

Auch wenn ich noch nicht auf der Heimreise bin, habe ich mich gerade in den letzten Tagen damit befasst, wie es waere wieder zurueck zu kehren.

Und ich habe gemerkt, es macht mir Angst.
Die Fragen die euch so beschaeftigen sind dann auch wieder fuer mich present zB was u wo will ich arbeiten.
Wo fuehle ich mich wohl? Wieder im deutschen Kreislauf sein

@007 kam ich schonmal von Australien zurueck u danach ging es an sich, da ich Ziele fuer mich in Deutschland hatte, gerade weiss ich nicht, ob ich sie wieder haette. eigentlich zieht mich nur mein Partner dort hin zurueck, da er es sich momentan nicht vorstellen kann woanders zu leben

Danke an Astrid & Martin eure Seite ist wirklich so hilfreich u aufbauend in verschiedenster Hinsicht

Liebe Gruesse von meinem zuHause fuer eine Woche (eine Frau hat mir ihr Haus zur Verfuegung gestellt,sie ist im Urlaub u ich einfach nur so froh mein Reich, mein Bett, meinen Haustuerschluessel zu haben)
Wir sind da zu Hause wo wir uns wohl fuehlen!!!
REISE zu mir selbst - Ballance zwischen Ruhe & Aktivitaet
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Panny
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Wiedereingliederung in den Alltag nach Langzeitreisen o.ä.

Ungelesener Beitrag von Panny »

Mein persönlicher Tip für die Wiedereingliederung:
Bewußt Verhaltensmuster und Tugenden aus der Reisezeit in die Seßhaftig in Deutschland übernehmen, auch wenn sie vielleicht auf den ersten Blick unnötig sind.

Ich geb mir zum Beispiel Mühe auch hier in Köln nach dem Weg zu fragen, anstatt ihn selber mit Stadtplan oder Navi zu finden. Das hält die Kommunikationsfähigkeit fit.
Ich achte drauf, meine offene Körpersprache und mein aktives Grüßen von Fremden genauso beizubehalten, wie wir das "on the road" praktiziert haben. Die Reaktionen sind auch hier positiv - wie auf Reisen.

Bestimmt habt Ihr Ähnliches für Euch ganz persönlich. Wichtig ist, nicht in den alten Trott diesbezüglich zu verfallen, sondern ein kleines bißchen aus dem Reiseleben ins neue, alte Leben mitzubringen, auch wenn es vordergründig nicht nötig wäre.

Gruß an die "Selbsthilfegruppe Fernreise-Heimkehrer" :-)

Panny
www.krad-vagabunden.de
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Windträumer
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Wiedereingliederung in den Alltag nach Langzeitreisen o.ä.

Ungelesener Beitrag von Windträumer »

Servus Panny!

Das mit dem Verhaltensmuster beibehalten war auch eine Idee von mir. Aber irgendwie konnte ich mich hier in Deutschland nie so ganz meinen Mitmenschen öffnen und so sein wie ich bin. Im Ausland bzw. on the road, als ich unterwegs war, tat ich nichts lieber als auf Menschen zuzugehen, sie kennen zu lernen und neue Freundschaften zu knüpfen.

Es fällt mir sehr schwer, mich hier in solch einer Ellenbogengesellschaft zurecht zu finden. Mein Inneres sträubt sich immer noch gegen diese besagte Mentalität.

Ich habe dieses Konkurrenzdenken noch nie richtig verstanden.
Naja, vielleicht sollte ich mir etwas Geld zusammensparen und dann wieder los. Einmal um die Welt per Anhalter. Aktiv leben. Dieses Leben hier macht mich depressiv...:-(

Viele Grüße

Windträumer

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