Beitrag ARD: "Abiturienten als Entwicklungshelfer"

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Mirjam
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Beitrag ARD: "Abiturienten als Entwicklungshelfer"

Ungelesener Beitrag von Mirjam »

Ich bin durch Zufall auf einen für mich sehr interessanten Beitrag gestoßen, den ich gerne mit euch diskutieren würde:

http://www.ardmediathek.de/das-erste/pa ... d=18751184

Der Beitrag greift einige Gedanken auf, die ich schon seit längerer Zeit hatte... Ich selbst habe nie Volunteering gemacht, aber Work & Travel auf einer Farm, wo ich auch als ziemlich naive Abiturientin hin bin und mit meinen Aufgaben völlig überfordert war. Und auch in meinem Bekanntenkreis haben Volunteers in Entwicklungsprojekten die Erfahrung gemacht, gar nicht wirklich gebraucht zu werden. Wobei ich andererseits auch glaube, dass man unterscheiden sollte zwischen solchen "Kurzzeitvolunteers" und Leuten, die für ein Jahr irgendwo hin gehen und wirklich eingearbeitet werden können.

Was meint ihr zu diesem Thema und zu dem Video?
boppel
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Beitrag ARD: "Abiturienten als Entwicklungshelfer"

Ungelesener Beitrag von boppel »

Was meint ihr zu diesem Thema und zu dem Video?
- ist eine teure Lebenserfahrung, die man sich mit etwas Nachdenken hätte sparen können.

Wie bittesehr soll man denn in 3-4 Wochen in einer völlig fremden Kultur Kinder unterrichten? Dann auch noch nur halbtags (weil den restlichen halben Tag braucht man ja zu chillen und den "Urlaub" genießen).

Und dann auch noch zu glauben, daß ein vierwöchiger Auslandsaufenthalt gut für den Lebenslauf ist!? - Das ist "nur " Urlaub (wenn ich das als Personaler lesen würde) wer das auch noch als besondere Leistung "aufbläht" (zumal wenn es ein "Pauschalurlaub" ist, also nicht einmal selbst geplant und organisiert) wäre bei mir sowieso durchgefallen.

Interessant fand ich, daß die verwöhnten Deutschen den "Bleistiftspitzsklaven" für die Kids machen dürfen - eine wirklich wichtige Berufserfahrung - für über 3.000,-EUR

Soweit meine Meinung.

Gruß

Boppel
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mahimahi
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Beitrag ARD: "Abiturienten als Entwicklungshelfer"

Ungelesener Beitrag von mahimahi »

Ich fand es sehr "amüsant", aber in keinster Weise lustig. Vielleicht öffnet das ja mal einigen Volunteer-Wannabes die Augen.

Hier hat ein kommerzieller Reiseanbieter es geschafft, Bedürfnisse einer Zielgruppe zu erkennen und erfolgreich ein dazu passendes Produkt zu vermarkten. Natürlich hauptsächlich zum eigenen Profit. Schliesslich ist das ja ein Unternehmen mit Gewinnerzielungsabsicht.

Alle anderen werden leider für dumm verkauft:

- die Abituirenten, die "irgendwie was Gutes" tun wollen, aber natürlich nicht, ohne dabei den Eigennutz ganz aus den Augen zu verlieren (Dazu gehört dann wohl auch, dass sich ein Reisekostenzuschuss für so ein Volunteering den Eltern besser verkaufen lässt als ein Beach Urlaub, da es ja die Berufsaussichten so ungemein verbessert);

- die Eltern, die vermeindlich etwas Gutes fürs eigene Kind tun und ihr permanent schlechtes Gewissen entlasten können, nicht genug getan zu haben;

- die zukünftigen Arbeitgeber, denen soziales Engagement präsentiert werden soll, und denen so etwas wichtig ist, denn auf die "Papierform" kommt es an;

- die Schulen bzw Projekte vor Ort, die keine unqualifizierten und kulturell völlig aussenstehenden Handlanger benötigen, sondern eigentlich (und verständlicherweise) nur GELD wollen;

- die Kinder vor Ort, die eigentlich sehr schnell lernen, dass es bei allem überhaupt nicht um sie geht. Das prägt dann früh das Verständnis von Entwicklungshilfe.

Insgesamt ist das ganze Unterfangen also eher schädlich. Aber typisch für eine funktionierende Angebots- und Nachfragesituation.
Manche Leute sollten einfach besser zuhause bleiben!
(Mahimahi findest du hier.)
Danny Machu
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Beitrag ARD: "Abiturienten als Entwicklungshelfer"

Ungelesener Beitrag von Danny Machu »

Ich möchte aber noch diesen göttlichen Begriff, der im Beitrag gefallen ist, hervorheben:
Sozial-Quicky
Einfach großartig! Genauso ist es nämlich! Ansonsten hat mahimahi da bereits viele wunde Punkte getroffen.

Da kann es ja wohl kaum eine zweite Meinung geben. Die Aussagen der Vollunteers sprechen ja Bände.

Man sollte da noch eigentlich härter in eine bestimmte Kerbe schlagen: Wofür zahlt man da eigentlich?
Offensichtlicherweise für einen All-inclusive Urlaub an einem exotischen Ort, der als Lebenslauf-tuning verkleidet wird. Überhaupt nicht schwer rauszufinden wie dieses boomende Geschäft funktioniert. Ein Unternehmen sucht in Armutsregionen nach Partnern, die die zahlende Kundschaft aufnehmen soll. Bezahlt wird ein gewisser monatlicher Betrag, der sich selbstverständlich vom Kunden 1:1 wiedergeholt wird. Und der Rest entspricht allen gängigen Gangarten im All-inclusive business: Es werden weitere Vertragspartner gesucht, die sich um Verpflegung, Transport, Unterkunft, etc. kümmern. Selbstverständlich alles so billig wie möglich. Mengenrabatte eingeschloßen, man schickt schließlich nicht wenige Übersee zum "volunteering".

Und dann wird zur Kasse gebeten. 3000€ soll man doch zahlen. Von denen geschätzte 2/3 in den Kassen des Unternehmens landen und damit helfen irgendwo die ein oder andere Villa zu bezahlen.

Wie mahimahi sagte: Ein raffiniertes und dem Markt gut angepasstes Produkt. Schließlich schafft man es ja diesen absurden Preis glaubwürdig zu verkaufen: Flüge, Unterbringung, Essen, ja sowas kostet halt, nicht wahr?

Ich wünschte mir einfach diese Leute würden dieses Geld nehmen und einfach auf eigene Faust verreisen. Einer meiner besten Freunde hat es genau richtig gemacht: Oneway nach Südamerika, ab in den Dschungel und bei den Farmen nach Arbeit suchen. Innerhalb eines Jahres auf diese Weise 2 Farmen (und ich meine auch ein Restaurant/Hostel/etc.) in 2 Ländern kennengelernt, nachhaltig über mehrere Monate hinweg mit Arbeit dort geholfen wo sie gebraucht wird und nach einem Jahr ein Rückflugticket gebucht.
Wenn sowas abenteuerlustiges nicht in Frage kommt, dann kann man das Geld auch einfach spenden.

Ich wünschte die Leute generell würden wenigstens besser aufpassen welchen Unternehmen sie genau das Geld zuschieben. Es gibt leider zu viele Leute, denen das Konsumieren so tief eingebrannt ist, dass sie es nicht mehr anders schaffen können als alles mundgerecht auf dem Teller serviert zu bekommen. Aber selbst diese Leute können zumindest nach Sinn und Logik fragen.. Welche Hilfe kann man denn schon in so kurzer Zeit leisten? Macht es nicht mehr Sinn zu sparen, um dann länger gehen zu können? Um dann wirkliche Hilfe zu leisten?

Klar, diese gerissenen Unternehmen verdienen dann noch mehr Geld, allerdings relativiert sich das wenigstens durch einen wirklich guten Zweck.

Darum hat mir dieser Begriff "Sozial-Quicky" auch so unglaublich gut gefallen. Selten so eine gute Metapher gesehen! Wenn man schon zu einer Prostituierten geht und ihr 100€ für nen Quicky zahlt, dann sollte man doch gleich 300€ draus machen und wenigstens auch das volle Programm nehmen :wink:
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Mirjam
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Beitrag ARD: "Abiturienten als Entwicklungshelfer"

Ungelesener Beitrag von Mirjam »

Ich bin beruhigt, dass ihr das Ganze genauso seht wie ich :lol:

Eine Bekannte von mir ist zurzeit in Asien und arbeitet dort in einer Schule für ein Jahr. Bei ihr hat es ca. zwei Monate gedauert, bis sie überhaupt mit den Kindern zurecht kam und die lokale Sprache so weit gelernt hatte, dass sie sich halbwegs verständigen konnte... Mit "Sozial-Quickie" wäre sie zu der Zeit, als sie sich langsam eingearbeitet hatte, schon auf dem Rückflug gewesen.

Dass man sich eher mit einer Organisation als ohne traut, kann ich verstehen. Ich hab das bei meiner allerersten Reise auch gemacht. Zwar weiß ich heute, dass es genauso gut (oder sogar besser) ohne geht, und ärgere mich auch über das rausgeschmissene Geld, aber damals war es eben eine ganz andere Situation als jetzt... Nun versuche ich auch immer, alle davon zu überzeugen, dass es ohne geht, aber wie gesagt, dieses Sicherheitsbedürfnis kann ich schon nachvollziehen, auch bei den Eltern. Aber wie du schon sagst, Dany, sollte man dann wenigstens genau schauen, was man macht. Und für Freiwilligenarbeit gibt auch genug andere Stellen im Ausland, die weniger kommerziell sind (z.B. kirchliche Hilfsdienste, F S J im Ausland, Schulpartnerschaften etc...)
Sabzag
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Beitrag ARD: "Abiturienten als Entwicklungshelfer"

Ungelesener Beitrag von Sabzag »

Ich schließe mich an ... "Sozial-Quicky", ganz prima! :)
Sumsal
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Beitrag ARD: "Abiturienten als Entwicklungshelfer"

Ungelesener Beitrag von Sumsal »

Da hat die ARD mit ihrem "Rundkfunkbeitrag" doch tatsaechlich mal einen guten, nachdenklich Beitrag hinbekommen.

Sehe ich ganz genauso, Geldmacherei auf der Sozialschiene. Gut nachvollziehbar, dass das klappt, denn als Abiturient ist man oft noch zu jung, zu vorsichtig, um auf eigene Faust in die Welt zu ziehen.
Traurig, was den jungen Menschen hier vorgegaukelt wird: In zwei Monaten ein wenig welt-verbessern... Und das ist der wesentliche Faktor, mit dem Geld gemacht wird - voll in die Marktluecke. Schliesslich findet man auch organisierte einjaehrige Weltverbesserungsarbeit. Damit ist den Menschen vor Ort trotzdem nicht finanziell geholfen, aber besser ist das allemal.


Meine kleine Schwester hat das Glueck, dass ich ihr den organisierten Sprachaufenthalt im Ausland ausreden konnte. Das ist das gleiche in gruen (mit weniger Sozialausbeuterei). Kann man schliesslich auch um einiges guenstiger selbst organisieren.
TravelSusi
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Beitrag ARD: "Abiturienten als Entwicklungshelfer"

Ungelesener Beitrag von TravelSusi »

Ich habe mich auch wirklich sehr amüsiert bei dem Bericht! :D aber auf der anderen Seite habe ich mich auch fürchterlich aufgeregt, weil ich einfach wirklich einige Leute kenne, die so denken und handeln wie diese Mädels.
Es ist eine Frechheit, dass Firmen diese "ich möchte etwas gutes machen"-Sache so sehr ausnutzen. Aber noch schlimmer ist, dass es so viele Leute gibt, die tatsächlich glauben, dass sie damit was gutes machen. aaarm =(


[editiert]
Isabell90
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Beitrag ARD: "Abiturienten als Entwicklungshelfer"

Ungelesener Beitrag von Isabell90 »

Danke für den informativen Beitrag!
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