Job hinschmeissen und ab dafür?

Worüber man in der Welt-Reise-Community so spricht / sprechen sollte, wo Du Reisethemen diskutieren, von Deinem Fernweh daheim oder Heimweh unterwegs berichten - oder auch außerhalb Deines Vorstellungsbereichs einfach mit anderen Mitgliedern der Weltreise-Community "labern" kannst... (Keine Reise-Infos hier!)
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Ace
Kiebitz
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Job hinschmeissen und ab dafür?

Ungelesener Beitrag von Ace »

Hallo Leute,

ich bin mal wieder wie so oft in den letzten Jahren arg unzufrieden mit überhaupt allem. An allererster Stelle mit meinem Job. An sich sollte ich mich wohl glücklich über meine Arbeitssituation schätzen, denn ich habe weder Ausbildung noch Studium genossen, bzw. beendet und trotzdem habe ich seit 6 Jahren einen festen Bürojob und kann mich auch nicht unbedingt übers Gehalt beschweren. Es herrscht auch kein allzu großer Druck und trotzdem habe ich das Gefühl, daß mich der Job am Schreibtisch krank macht. Es gibt manchmal Tage oder auch ganze Wochen am Stück, da wache ich auf und mir schiessts sofort durch den Kopf "Bitte nicht in die Firma! Ich mach krank!". Kennt wahrscheinlich jeder irgendwie aber ich mags einfach nicht mehr mitmachen. Vielleicht auch bedingt durch die Situation meiner Mutter, die seit 4 Jahren wegen Depressionen krankgeschrieben ist, die auch durchs Büroleben und den damit verbunden Druck MITverursacht wurden. Das soll mir nicht passieren!

Also es ist mal wieder so weit, der Frust sprengt die Grenzen des Erträglichen und Gedanken ans Abhauen kommen auf. Weg aus diesem leistungsorientierten, regelverseuchten Umfeld!
Reisepläne hege bzw. träume ich eher schon seit ein paar Jahren. Allerdings eher in der Art wie "ach wie wärs doch ein Jahr in Australien ...".
Letztes Jahr im Sommer habe ich dann das erste mal tatsächlich eine Art Kurzausstieg außerhalb von Clubhotels und Strandpromenaden gemacht (naja fast ohne :wink: ). Ich war 4 Wochen auf eigene Faust mit dem Auto in Spanien, wovon ich allerdings gleich 3 Wochen in Barcelona "hängengeblieben" bin. Was für eine Stadt! :D
Gewohnt habe ich in Hostels oder auch im Auto. Das zu meinen Reiseerfahrungen.

Ok, was will der Kerl überhaupt fragt Ihr Euch? Er hat Angst seinen Job hinzuschmeissen und völlig ohne Sicherheiten dazustehen!
Ich habe wie gesagt weder Ausbildung noch Studium absolviert. Alles was ich vorweisen kann sind mehr oder weniger 6 Jahre Berufserfahrung als Controller.
Was also wenn die Kohle ausgeht?
Was für Möglichkeiten hab ich als "Nichtskönner" unterwegs nebenbei Geld zu verdienen?
Wie stehen die Chancen, etwas Handfestes zu finden, falls ich mich tatsächlich irgendwo niederlassen wollen würde?
Oder was, wenn ich zurückkommen sollte und in Deutschland wieder Fuß fassen möchte?

Ich weiss, die Fragen sind alle sehr allgemein gehalten ... aber ich würde mich über jeglichen Rat und Tipps oder guten Zuspruch freuen. Irgendetwas, was mir meine Angst in etwas geordnetere Bahnen leitet.

Achja, noch ein paar Dinge zu mir ... ich wohne in Hamburg, bin 26 Jahre alt ... öööööhm ... auf englisch kann mich gut verständigen (kein Businessenglisch), Spanisch- und Italienischkenntnisse sind nur rudimentär vorhanden, würde ich aber falls nötig recht schnell im täglichen Sprachgebrauch lernen denke ich.
Und Single bin ich auch noch. :oops:

Danke schonmal für Eure Anregungen.
René
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Feuereule
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Re: Job hinschmeissen und ab dafür?

Ungelesener Beitrag von Feuereule »

Also erstmal......auf, auf und davon, kann ich Dir nur raten, wenn ich mal so arrogant bin, und mir anmasse Ratschläge verteilen zu können. Gerade so wie Du Deine Situation beschreibst, fühlen sich viele. Es ist aber auch typenabhängig. Je nachdem, was Du vom Leben willst. :!: Man kann sich immer entscheiden, und Du kannst Dich beispielsweise entscheiden für Karriere, ein großes Auto, ne tolle Wohnung oder was auch immer.....oder einfach entscheiden für eine längere Zeit ml den Geschmack von Freiheit zu kosten, tun und lassen was man will, die Schönheit der Welt aufzusaugen und sich einfach mal nur treiben lassen, ohne Druck.

Mit dem Job wird nicht einfach. Ich bin vor einem 8 Monaten wieder gekommen, und es war recht mühsam. Gerade weil eben Sabbatical Jahre in Deutschland nicht so cool aufgenommen werden wie beispielsweise in UK. Aber es ist zu schaffen, Du brauchst ein bissel Energie, und ich habe jetzt nach einem halben Jahr angestrengter Jobsuche auch wieder was gefunden.

Am schwierigsten finde ich die Enstcheidung vor der Reise und das wiederkommen. Du hast Dich verändert, siehst vieles anders, hast vom süssen Nektar absoluter Freiheit gekostet.....und musst Dich wieder in ein Korsett zwängen......kann ich nur vorübergehend akzeptieren.....

Geldmäßig würde ich versuchen, hier in Deutschland was anzusparen. Jobs in Australien sind möglich, aber es ist ziemliche Schufterei und nicht immer gut bezahlt. Und in Asien oder Südamerika jobben kannst Du eh vergessen......Das Geheimnis liegt darin, Deine Kosten in Deutschland zu senken, also Auto verkaufen, Wohnung vermieten usw. dann lebst Du unterwegs billiger als hier.

Alles in allem: es ist machbar, es ist toll einem Traum zu folgen. Arbeitsmäßig wird es nicht einfach, ist aber auch durchführbar, brauchst nur Energie. Und Du kannst ja noch versuchen, eine gütliche Einigung mit Deiner Firma zu erreichen, Teilzeitvertrag, und Du arbeitest die Zeit heraus oder so. Man muss sich nur trauen und fragen.....

Viel glück
:wink:
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Der_Felix
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Re: Job hinschmeissen und ab dafür?

Ungelesener Beitrag von Der_Felix »

Hallo!

Eines vorweg: ich bin der festen Überzeugung, dass eine längere Reise die meisten Menschen in irgendeiner Form bereichert und glücklicher macht.

So blöd das klingt, aber stelle ich mir mich selber lurz vor dem Tod vor, sind es vor allem zwei Dinge, an die ich zurückdenken werde:

1. Reisen, die ich im laufe meines Lebens gemacht habe bzw. Orte, die ich gesehen habe und
2. Begegnungen, Freunde und Familie, kurz: Menschen, die mir in meinem Leben wichtig waren.

Job und Karriere kommen erst später, obschon ich schon den Wunsch habe, in eiunem gewissen Rahmen Karriere zu machen.
In so fern würde ich zunächst einfach mal pauschal zum Ausbrechen raten. Wie es danach weitergeht, ob Du einen Job findest, vielleicht Auswanderpläne schmiedest oder mit frischem und neuen Elan einen glatten Neustart in Deutschland hinlegst wird sich später schon zeigen. Getreu nach dem Motto, lieber etwas zu bereuen, das man getan hat, als zu bereuen, etwas nicht getan zu haben gibt es keine Garantien, wohl aber das gute Gefühl, einen Traum verwirklicht zu haben.

Über eines solltest Du Dir jedoch gerade deswegen meiner Meinung nach klar werden, bevor Du auf die große Reise gehst: was erhoffst Du Dir von so einer Reise?

Mal grundsätzlich gesprochen lässt sich eine generelle Unzufriedenheit nicht so einfach abschütteln. Unter Umständen hüpft sie schon beim Packen mit in den Rucksack und machen es sich dort zwischen Zip-Hose und Badehose gemütlich und kommt dann in den unmöglichsten Situationen wieder hervorgekrochen.
Bevor Du anfängst, Deine Reise zu planen, würde ich mir an Deiner Stelle ganz allgemein Gedanken machen, was sich ändern müsste, damit Du Dich wieder wohler fühlst mit Deinem Leben. Es ist keineswegs verwerflich, sich auszumalen, wie es wäre, ein Jahr Australien ... etc.
Aber ist es nicht, wenn man sich gerade nicht wohl fühlt, irgendwo anders immer besser - zumindest so lange woanders noch woanders ist?

Kurz gesagt: erfüllst Du Dir mit der Reise einen Traum, mach sie und freu Dich an dem Abenteuer der Unsicherheit. Willst Du nur Reisen, um dem hier und jetzt zu entfliehen, lass es und versuch ersteinmal, die konkreten Gründe für Deine Unzufriedenheit zu beseitigen. Danach solltest Du natürlich trotzdem reisen ;-)

Hoffe, ich konnte mit dem einen oder anderen Gedanken aushelfen und wirke nicht nur möchtegern-altklug.

Gruß und viel Erfolg!

Felix
Wer immer nur in die Fußstapfen anderer tritt hinterlässt keine eigenen Spuren!
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Caveman
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Re: Job hinschmeissen und ab dafür?

Ungelesener Beitrag von Caveman »

Felix, das war nicht altklug, sondern völlig richtig! Auf einen kurzen Nenner gebracht, würde ich es so formulieren: Wenn du irgendwo hin willst, dann mach es. Wenn du aber einfach nur weg willst, dann bleib besser daheim.

Bin zwar kein Weltreisender, sondern ein Ausgewanderter, denke aber, das Gesagte passt auf beides.

Gruss
Caveman
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Rainer Backpack
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Re: Job hinschmeissen und ab dafür?

Ungelesener Beitrag von Rainer Backpack »

Das selbe denke ich auch, ich glaube die meisten wissen gar nicht worauf man sich dabei einlässt, aber jeder muss halt für sich und vieleicht auch für seine Family
(im falle das die mitgeht) entscheiden. was gut oder schlecht ist. Das Problem ist aber die meisten können es gar nicht entscheiden weil sie vorher keine erfahrungen gesammelt hatten und dann halt eben in manchen Ländern einfach scheitern weil sie sich gerade mit kleinigkeiten zu wenig auseinander gesetzt haben.
Habe auch schon in vielen Ländern gearbeitet und dadurch auch dort gewohnt. Und trotzdem wundere ich mich immer wieder wieviel Träumer dann zu den konsulaten rennen und um ein Ticket für den Heimflug betteln. Habe das schon bei Auswanderern und auch bei Backpackern gesehen die mit einer bestimmten Situation einfach nicht mehr zurecht gekommen sind und überfordert waren. Aber manchmal muss man eben auch an Problemen wachsen.
Gruss Rainer Backpack
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Vrenchen

Re: Job hinschmeissen und ab dafür?

Ungelesener Beitrag von Vrenchen »

Tag Ace,

kann Dir jetzt zwar keinen Tip geben um Deine Entscheidung zu treffen, fand den Beitrag aber recht interessant.

Und spontan hab ich mir die Frage gestellt, wie man ohne eine Berufsausbildung oder ein Studium einen Joh als Controller kriegen kann???
Wie hast Du das denn geschafft?

Hast Du denn inzwischen eine Entscheidung wegen Australien getroffen?

Grüssle Vrenchen
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Christian.Rio
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Re: Job hinschmeissen und ab dafür?

Ungelesener Beitrag von Christian.Rio »

Der_Felix hat geschrieben:erfüllst Du Dir mit der Reise einen Traum, mach sie und freu Dich an dem Abenteuer der Unsicherheit. Willst Du nur Reisen, um dem hier und jetzt zu entfliehen, lass es und versuch ersteinmal, die konkreten Gründe für Deine Unzufriedenheit zu beseitigen.
Caveman hat geschrieben:Wenn du irgendwo hin willst, dann mach es. Wenn du aber einfach nur weg willst, dann bleib besser daheim.
Ich möchte das als Anlass nehmen, mich nach längerer Zeit zurückzumelden. Eine interessante Diskussion, und vor allem die beiden Apekte von oben stimmen mich nachdenklich. Seit kurzem lese ich wieder mehr oder weniger rudimentär im Weltreiseforum mit. Die Zeit davor hatte ich es tunlichst vermieden, um mich nicht zu sehr mit kreisenden Gedanken "anzustecken". Einige haben vielleicht schon mein Posting von letztem Jahr gelesen: Ich musste meine Reise abbrechen, weil mein Vater verstorben ist. Seit dieser Zeit und bis jetzt hatte ich mich vorübergehend bei meiner Mutter einquartiert. Und bis dato war ich psychologisch gesehen einfach vollkommen unfähig und energielos, etwas neues zu starten - sowohl jobmäßig als auch in Bezug auf neue Reisepläne. Zu deutsch: Ich war und bin teilweise noch vollkommen blockiert.

Inwieweit das jetzt noch mit dem Tod meines Vaters zu tun hat, weiß ich nicht. Es sind schon einige Monate in's Land gegangen seither. Und irgendwie bin ich seit meiner Rückkehr in ein Loch gefallen. Es war eben schon ein verdammt ungünstiger Mix: Tod, Reiseabbruch (und damit den "Flow"), Deutschland im Winter (in Neuseeland war es gerade Sommer); plötzliche innere Leere war die Folge. Hinzu kommt, dass ich zu meinen Eltern und insbesondere meinem Vater immer ein gespaltenes Verhältnis hatte - aber das kann ich hier nicht näher erläutern.

Ironischerweise habe ich durch den Tod meines Vaters neue finanzielle Möglichkeiten bekommen (Erbteil). Ich bin dadurch nicht reich, denn meine Eltern waren immer bescheidene Leute. Aber es würde einen eventuellen zweiten Weltreiseanlauf doch soweit "polstern", dass ich mir bezüglich der Finanzierung keine zu großen Gedanken müsste. Auch habe ich noch nicht wieder eine eigene Wohnung. Die wenigen Habseligkeiten, die ich noch besitze, sind ein Computer, Klamotten und ein paar Bücher. Kurz: "Objektiv" gesehen ist es angesichts der äußeren Umstände der günstigste Zeitpunkt, um so eine Reise zu starten. Und mental bin ich soweit auch wieder auf dem Damm. Freundin hab' ich auch nicht. Völlig ungebunden also.

Doch nun ist ein anderes "Problem" aufgetaucht: Ich weiß auf einmal gar nicht mehr, ob ich das noch möchte. Mir schwirrt nämlich seit einiger Zeit nun noch ein anderer Gedanke im Kopf herum: In Irland leben und arbeiten. Der Witz ist, dass ich noch nie in Irland war. Aber mein Bauch sagt: "Da willst du hin."

Das hat den Grund, dass ich in Neuseeland gemerkt hatte, dass mir genau die Orte am meisten gefielen, wo es sich von Wetter/Klima/Landschaft her "irisch" anfühlte (wenn ich auch nur eine Vorstellung aus Fernsehdokus davon im Kopf hab'). Das wusste ich eigentlich schon vorher, aber da wurde es mir vollkommen bewusst. Ich mag zwar Sonne, gehöre aber nicht zu den Sonnenanbetern, d.h. ich bin einer von denen, die sich langweilen würden, wenn sie stundenlang nur in der Sonne am Strand liegten. Ich bin eher ein "Erkunder", der gern den Geruch von Wind, Wetter und saftig grüner Natur in der Nase hat. Und so eine kühle Frische - vorzugsweise am Meer - ist da genau richtig. Es darf nur nicht zu kalt sein, das ist alles. Und da mir Deutschland im Winter zu kalt und im Sommer zu schwül ist, hab' ich mich in Europa mal umgeschaut, was es denn da so gibt. Zu meiner positiven Überraschung stellte ich fest, dass Irland ein mildes Klima hat. Man muss ja nicht gleich nach Neuseeland auswandern und sich jahrelangem Gezitter über Einwanderungszusagen ausliefern, wenn man als EU-Bürger doch so tolle Möglichkeiten hat! Mein Traumland liegt vor der Haustür und ist mit lausigen 40 Euro per Ryanair in null-komma-nix erreichbar.

Wo liegt also mein Problem werdet ihr fragen?!

Die Sache ist die, dass ich meine ursprüngliche Weltreise abgebrochen hatte und irgendwie das Gefühl nicht loswerde, dass ich es bereuen könnte, nicht den jetztigen, äußerlich sehr günstigen Zeitpunkt für einen zweiten Anlauf gewählt zu haben. Würde ich in ein paar Jahren nochmal auf die Idee kommen, dann finge der ganze Stress von vorne an (Vorbereitung usw.), bzw. könnten dann ja Faktoren da sein, die bisher nicht aktuell waren (z.B. Freundin). Eigentlich würde ich, ganz nüchtern betrachtet, die Weltreise starten - wenn da eben nicht diese Unsicherheit wäre, ob warum und wozu ich das noch will. Wenn ich es nicht beantworten kann, dann sollte ich es sein lassen. Doch irgendwie kann es natürlich auch sein, dass diese Nullphase, die ich jetzt hier in Deutschland verbracht hatte, zu diesem Gefühl geführt hat. Ist man erst einmal unterwegs, kommt man wahrscheinlich auch wieder auf andere Gedanken - ging mir ja so in Neuseeland.

Da muss ich wohl noch einmal genauer in mich gehen. Denn hinzu kommt, dass das Konzept "Reisen" als solches für mich vollkommen in Frage gestellt ist. Warum reist man denn überhaupt, mal abgesehen von Spaß und Erfahrungen? Welchen Unterschied macht es letzlich wirklich, wenn man sein "Glücklichsein" im Leben betrachtet? Hängt das nicht viel mehr davon ab, wie man an die Dinge herangeht statt daran, an was man herangeht? Ist es letztenendes wirklich eine so wertvolle Erfahrung, die man zuhause niemals äquivalent erreichen kann? Oder ist es am Ende doch die eine Illusion im Kopf, die uns Fernsehen usw. eingebläut haben, nämlich dass man etwas verpasst hat, wenn man in seinem Leben nicht schon einmal an jenem oder anderem Ort war?!

Ich denke auch oft daran, dass es sehr arme und auch hungernde Menschen gibt, die nicht einmal im Traum daran denken könnten, sich es finanziell zu leisten ihr Dorf zu verlassen. Und dann noch die Aspekte Umweltschutz (Fliegen/Abgase = Ozonkiller) und "Übertourismus", sprich: dass man auch nur einer von den vielen hunderttausenden von Eindruckskonsumenten ist, die - egal ob Rucksackreisender oder nicht - die schönen Plätze dieser Welt durch die Ströme der Massen zu den unschönen dieser Welt machen. Die Einheimischen - so denke ich mir oft - müssen ja ein seltsames Bild von den ganzen Reisenden haben, die so mir nix dir nix es sich leisten können, einfach in einen Flieger zu steigen und an's andere Ende der Welt zu jetten. Vor allem der Kontrast zur Armut. Da gibt man mal schnell 2000,- bis 3000,- Euro für ein RTW-Ticket aus, während eine komplette indische Familie lange Zeit davon leben könnte.

"Wir Backpacker" (Backpacker ist auch so ein plattes Modewort) halten uns ja anscheinend nicht für Durchschnittstouristen, aber unter uns gesehen sind wir genau das gleiche in grün - eben auf alternativ getrimmt. In Thailand ist mir das so extrem aufgefallen; das hat mich besonders angeekelt, als die ganzen Sarongmüslis ihre Esoterik-Gespräche über Freiheit und "Carpe diem" (auch so ein Modespruch)-Gesäusel führten. Und manchmal dachte ich dabei: "Dann lieber Willi Normalbürger mit Frau Else, die dazu stehen, dass sie Touristen sind und sich im Restaurant Schnitzel bestellen."

All diese Gedanken, die ich hier geschildert habe, bekomme ich irgendwie nicht aus meinem Kopf. Und mich würde mal interessieren, wie andere Leute hier im Forum die Frage nach dem "Warum eigentlich Reisen?" beantworten würden. Und zwar nicht aus pragmatischer Sicht, denn das auf der Hand liegende kann sich jeder selbst beantworten ("tolle Erfahrung", "persönliche Reifung", etc.), sondern vielmehr grundlegend psychologisch und philosophisch. Warum existiert diese Phänomen "Rucksackreisen"/"Backpacking" überhaupt? Warum ist so ein unstillbarer Reisehunger der Industriegesellschaftsbürger vorhanden? Welchen Sinn macht es auf der Ebene "Glück und Zufriedenheit"? (siehe oben: Unterschied zwischen dem Wie und dem Was). Ist es am Ende doch nur ein unterbewusster Egotrip der persönlichen "das-will-ich-im-Leben-erlebt-haben"-Checkliste, den man sich selbst jedoch als etwas anderes verkauft?

Christian
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pukalani
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Re: Job hinschmeissen und ab dafür?

Ungelesener Beitrag von pukalani »

Hallo Christian!

Schön, wieder von Dir zu lesen. Habe damals Deinen Reiseabbruch mitverfolgt – die Angst eines jeden Reisenden...

Dein heutiger Post hat nicht nur mein Hirn gestupst, sondern auch mein Herz berührt. Wir könnten vermutlich unser Leben lang darüber philosophieren. ohne zwangsläufig auf eine allgemeingültige Anwort zu stoßen... :?

Meine kürzestmögliche (und einseitige) Antwort ist: Manchmal muß man sehr weit reisen um zu merken, daß unser persönliches Glück direkt vor der Haustür lag. Die passende Lektüre dazu: "Der Alchimist" von Paulo Coelho.

Liebe Grüße! :)
Lani

Anm. MArtin:
Habe mir erlaubt, Deinen Buchtipp ausnahmsweise mit einem direkten Amazon-Link zu hinterlegen, Lani:
Erstens zur schnellen Info, zweitens, weil wir Deinen Buchtipp teilen und ihn ganz am Anfang unseres Kapitels Weltreiseplanung- und Vorbereitung auch empfohlen haben. :)
LG
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Der_Felix
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Re: Job hinschmeissen und ab dafür?

Ungelesener Beitrag von Der_Felix »

Hallo Christian und WELCOME BACK!

Um ehrlich zu sein, ich bin noch nicht so weit, mich ernsthaft und ausführlicher an die Beantwortung Deiner Frage(n) zu wagen. Trotzdem finde ich, dass Du einige interessante Ideen niedergeschrieben hast, bei denen mir spontan einige Gedanken gekommen sind, die ich loswerden möchte.

Wenn ich Dich richtig verstehe, möchtest Du das Phänomen Reisen von einer tieferen (oder höheren - je nachdem wie man es sieht) Warum-Ebene angehen. Das finde ich gut. Und extrem schwierig. Denn tritt man diesen Stein los, wird da vermutlich eine ganze Menge Geröll hinterher purzeln. Schließlich ist das Warum ein so herrlich universelles Fragewort, und zu dieser Thematik gibt es noch eine ganze Menge potenzieller Warums.

Etwa die Frage, wieso eigentlich doch nur vergleichsweise wenige der Menschen, die es sich im Prinzip zeitlich und finanziell leisten könnten, tatsächlich zum Backpacker mutieren.
Ernsthaft: ich finde es eher verwunderlich, wie wenig Reisehunger es in unserer Gesellschaft gibt. Erzähle ich von meiner Weltreise und meinen weiteren Reiseträumen, ernte ich nicht selten anerkennende und doch zugleich fragende Blicke. Sinngemäß: Klingt toll aber wieso willst Du Dir das antun?
Zwar scheint da bei den meisten Menschen dieser diffuser Gedanke zu existieren, dass die Welt noch über den eigenen Schrebergarten hinaus reicht, doch so wirklich wissen wollen es anscheinend die wenigsten. Warum die Bequemlichkeit zu Hause über eine zweiwöchige Pauschalreise hinaus aufgeben? Denn im Vergleich mit der großen Gruppe derer, die es sich leisten könnten, gehen doch die wenigsten wirklich auf große Fahrt.

Ja, und Du hast recht: auch unter denen, die tatsächlich aufbrechen, gibt es solche und solche.
Auch ich fand es gerade in Thailand furchtbar, wie sich viele Leute sich mit einer pseudo-"freier weltoffener Geist"-Aura umgeben haben und dann ihre Reiseerfahrung darauf beschränkten, dass sie statt Heineken mal Beer Chang zum Schnitzel bestellt haben (und das ist leider nur ein bisschen übertrieben).
Noch befremdlicher fand ich viele der frischgebackenen Schulabgänger in Australien, die mit Oz-Experience die Ostküste hochgetingelten und dank Peter Pan jeder Planungshoheit enthoben waren, sich aber in den zahlreichen Handy-Telefonaten nach Hause stolz als weltoffene "Backpacker" bezeichneten.

Stelle ich mir persönlich die Frage nach dem tieferen Sinn meiner Reise, nach den Beweggründen und wieso ich eigentlich am liebsten sofort wieder aufbrechen wollte, gipfelt dieses Warum schnell in eine grundsätzliche Sinn-des-Lebens-Frage.
Denn mal ehrlich: ist die Welt- oder Langzeit-"Backpacker"-Reise nicht im Grunde genommen auch nur eine Form, die Lebenszeit, die wir zur Verfügung haben, mit Inhalten zu füllen?
Müsste man, wenn Du nach dem tieferen Sinn des Reisens forschst, nicht genau so fragen, warum man die auf Reisen verbrachte Zeit nicht z.B. mit dem Lesen kluger Bücher, mit dem Schaffen von Gütern oder einfach mit aus dem Fenster gucken verbringt?

In meinem vorigen Posting habe ich geschrieben, dass ich mich manchmal Frage, was in meinem Leben wohl für mich wertvoll bzw. bedeutungsvoll war. Ich bin noch immer fest überzeugt, dass dies unter anderem die Reisen waren, die ich gemacht habe.
"Reisen veredelt den Geist", hat Oscar Wilde einmal gesagt und vielleicht hat er nicht ganz unrecht. Ich selber fühle mich unterwegs mehr gefordert, mich mit mir selber auseinanderzusetzen als im Alltag. Ich genieße das Gefühl, über den deutschen Tellerrand geguckt zu haben - sei es auch nur auf relativ ausgetretenen Pfaden. Und ja, teilweise war es ein abhaken meiner persönlichen "was ich im Leben getan haben möchte"-Checkliste.
Aber ist nicht im Endeffekt (und spätestens seit der Aufklärung) jede Form der Lebensgestaltung eine Art Abhaken von to-do-Listen?
Wer immer nur in die Fußstapfen anderer tritt hinterlässt keine eigenen Spuren!
http://felix-welt.de
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