Der_Felix hat geschrieben:erfüllst Du Dir mit der Reise einen Traum, mach sie und freu Dich an dem Abenteuer der Unsicherheit. Willst Du nur Reisen, um dem hier und jetzt zu entfliehen, lass es und versuch ersteinmal, die konkreten Gründe für Deine Unzufriedenheit zu beseitigen.
Caveman hat geschrieben:Wenn du irgendwo hin willst, dann mach es. Wenn du aber einfach nur weg willst, dann bleib besser daheim.
Ich möchte das als Anlass nehmen, mich nach längerer Zeit zurückzumelden. Eine interessante Diskussion, und vor allem die beiden Apekte von oben stimmen mich nachdenklich. Seit kurzem lese ich wieder mehr oder weniger rudimentär im Weltreiseforum mit. Die Zeit davor hatte ich es tunlichst vermieden, um mich nicht zu sehr mit kreisenden Gedanken "anzustecken". Einige haben vielleicht schon mein Posting von letztem Jahr gelesen: Ich musste meine Reise abbrechen, weil mein Vater verstorben ist. Seit dieser Zeit und bis jetzt hatte ich mich vorübergehend bei meiner Mutter einquartiert. Und bis dato war ich psychologisch gesehen einfach vollkommen unfähig und energielos, etwas neues zu starten - sowohl jobmäßig als auch in Bezug auf neue Reisepläne. Zu deutsch: Ich war und bin teilweise noch vollkommen blockiert.
Inwieweit das jetzt noch mit dem Tod meines Vaters zu tun hat, weiß ich nicht. Es sind schon einige Monate in's Land gegangen seither. Und irgendwie bin ich seit meiner Rückkehr in ein Loch gefallen. Es war eben schon ein verdammt ungünstiger Mix: Tod, Reiseabbruch (und damit den "Flow"), Deutschland im Winter (in Neuseeland war es gerade Sommer); plötzliche innere Leere war die Folge. Hinzu kommt, dass ich zu meinen Eltern und insbesondere meinem Vater immer ein gespaltenes Verhältnis hatte - aber das kann ich hier nicht näher erläutern.
Ironischerweise habe ich durch den Tod meines Vaters neue finanzielle Möglichkeiten bekommen (Erbteil). Ich bin dadurch nicht reich, denn meine Eltern waren immer bescheidene Leute. Aber es würde einen eventuellen zweiten Weltreiseanlauf doch soweit "polstern", dass ich mir bezüglich der Finanzierung keine zu großen Gedanken müsste. Auch habe ich noch nicht wieder eine eigene Wohnung. Die wenigen Habseligkeiten, die ich noch besitze, sind ein Computer, Klamotten und ein paar Bücher. Kurz: "Objektiv" gesehen ist es angesichts der äußeren Umstände der günstigste Zeitpunkt, um so eine Reise zu starten. Und mental bin ich soweit auch wieder auf dem Damm. Freundin hab' ich auch nicht. Völlig ungebunden also.
Doch nun ist ein anderes "Problem" aufgetaucht: Ich weiß auf einmal gar nicht mehr, ob ich das noch möchte. Mir schwirrt nämlich seit einiger Zeit nun noch ein anderer Gedanke im Kopf herum: In Irland leben und arbeiten. Der Witz ist, dass ich noch nie in Irland war. Aber mein Bauch sagt: "Da willst du hin."
Das hat den Grund, dass ich in Neuseeland gemerkt hatte, dass mir genau die Orte am meisten gefielen, wo es sich von Wetter/Klima/Landschaft her "irisch" anfühlte (wenn ich auch nur eine Vorstellung aus Fernsehdokus davon im Kopf hab'). Das wusste ich eigentlich schon vorher, aber da wurde es mir vollkommen bewusst. Ich mag zwar Sonne, gehöre aber nicht zu den Sonnenanbetern, d.h. ich bin einer von denen, die sich langweilen würden, wenn sie stundenlang nur in der Sonne am Strand liegten. Ich bin eher ein "Erkunder", der gern den Geruch von Wind, Wetter und saftig grüner Natur in der Nase hat. Und so eine kühle Frische - vorzugsweise am Meer - ist da genau richtig. Es darf nur nicht
zu kalt sein, das ist alles. Und da mir Deutschland im Winter zu kalt und im Sommer zu schwül ist, hab' ich mich in Europa mal umgeschaut, was es denn da so gibt. Zu meiner positiven Überraschung stellte ich fest, dass Irland ein mildes Klima hat. Man muss ja nicht gleich nach Neuseeland auswandern und sich jahrelangem Gezitter über Einwanderungszusagen ausliefern, wenn man als EU-Bürger doch so tolle Möglichkeiten hat! Mein Traumland liegt vor der Haustür und ist mit lausigen 40 Euro per Ryanair in null-komma-nix erreichbar.
Wo liegt also mein Problem werdet ihr fragen?!
Die Sache ist die, dass ich meine ursprüngliche Weltreise abgebrochen hatte und irgendwie das Gefühl nicht loswerde, dass ich es bereuen könnte, nicht den jetztigen, äußerlich sehr günstigen Zeitpunkt für einen zweiten Anlauf gewählt zu haben. Würde ich in ein paar Jahren nochmal auf die Idee kommen, dann finge der ganze Stress von vorne an (Vorbereitung usw.), bzw. könnten dann ja Faktoren da sein, die bisher nicht aktuell waren (z.B. Freundin). Eigentlich würde ich, ganz nüchtern betrachtet, die Weltreise starten - wenn da eben nicht diese Unsicherheit wäre, ob warum und wozu ich das noch will. Wenn ich es nicht beantworten kann, dann sollte ich es sein lassen. Doch irgendwie kann es natürlich auch sein, dass diese Nullphase, die ich jetzt hier in Deutschland verbracht hatte, zu diesem Gefühl geführt hat. Ist man erst einmal unterwegs, kommt man wahrscheinlich auch wieder auf andere Gedanken - ging mir ja so in Neuseeland.
Da muss ich wohl noch einmal genauer in mich gehen. Denn hinzu kommt, dass das Konzept "Reisen" als solches für mich vollkommen in Frage gestellt ist. Warum reist man denn überhaupt, mal abgesehen von Spaß und Erfahrungen? Welchen Unterschied macht es letzlich wirklich, wenn man sein "Glücklichsein" im Leben betrachtet? Hängt das nicht viel mehr davon ab, wie man an die Dinge herangeht statt daran, an was man herangeht? Ist es letztenendes wirklich eine so wertvolle Erfahrung, die man zuhause niemals äquivalent erreichen kann? Oder ist es am Ende doch die eine Illusion im Kopf, die uns Fernsehen usw. eingebläut haben, nämlich dass man etwas verpasst hat, wenn man in seinem Leben nicht schon einmal an jenem oder anderem Ort war?!
Ich denke auch oft daran, dass es sehr arme und auch hungernde Menschen gibt, die nicht einmal im Traum daran denken könnten, sich es finanziell zu leisten ihr Dorf zu verlassen. Und dann noch die Aspekte Umweltschutz (Fliegen/Abgase = Ozonkiller) und "Übertourismus", sprich: dass man auch nur einer von den vielen hunderttausenden von Eindruckskonsumenten ist, die - egal ob Rucksackreisender oder nicht - die schönen Plätze dieser Welt durch die Ströme der Massen zu den unschönen dieser Welt machen. Die Einheimischen - so denke ich mir oft - müssen ja ein seltsames Bild von den ganzen Reisenden haben, die so mir nix dir nix es sich leisten können, einfach in einen Flieger zu steigen und an's andere Ende der Welt zu jetten. Vor allem der Kontrast zur Armut. Da gibt man mal schnell 2000,- bis 3000,- Euro für ein RTW-Ticket aus, während eine komplette indische Familie lange Zeit davon leben könnte.
"Wir Backpacker" (Backpacker ist auch so ein plattes Modewort) halten uns ja anscheinend nicht für Durchschnittstouristen, aber unter uns gesehen sind wir genau das gleiche in grün - eben auf alternativ getrimmt. In Thailand ist mir das so extrem aufgefallen; das hat mich besonders angeekelt, als die ganzen Sarongmüslis ihre Esoterik-Gespräche über Freiheit und "Carpe diem" (auch so ein Modespruch)-Gesäusel führten. Und manchmal dachte ich dabei: "Dann lieber Willi Normalbürger mit Frau Else, die dazu stehen, dass sie Touristen sind und sich im Restaurant Schnitzel bestellen."
All diese Gedanken, die ich hier geschildert habe, bekomme ich irgendwie nicht aus meinem Kopf. Und mich würde mal interessieren, wie andere Leute hier im Forum die Frage nach dem "Warum eigentlich Reisen?" beantworten würden. Und zwar nicht aus pragmatischer Sicht, denn das auf der Hand liegende kann sich jeder selbst beantworten ("tolle Erfahrung", "persönliche Reifung", etc.), sondern vielmehr grundlegend psychologisch und philosophisch. Warum existiert diese Phänomen "Rucksackreisen"/"Backpacking" überhaupt? Warum ist so ein unstillbarer Reisehunger der Industriegesellschaftsbürger vorhanden? Welchen Sinn macht es auf der Ebene "Glück und Zufriedenheit"? (siehe oben: Unterschied zwischen dem
Wie und dem
Was). Ist es am Ende doch nur ein unterbewusster Egotrip der persönlichen "das-will-ich-im-Leben-erlebt-haben"-Checkliste, den man sich selbst jedoch als etwas anderes verkauft?
Christian