Heute ist Halbzeit bei mir, 4 Wochen D liegen hinter mir und 4 Wochen vor mir, zwischen meinem Reisejahr und meinem Aufbruch nach Nepal.
Es ist schon komisch, wieviel sich unterwegs verändert. Als ich zu meiner Reise aufgebrochen bin, lag meine Zukunft relativ klar vor mir (fester Freund, Berufspläne...), inzwischen scheint mir alles Chaos zu sein. Ist das Reisen daran schuld, weil man auf einmal so viele Lebensoptionen zur Auswahl zu haben scheint??? Warum weiß ich nur immer mehr, was ich nicht will, aber nicht, was ich will?
Wenn ich zu Hause geblieben wäre, hätte ich dann wirklich mein Leben nicht in Frage gestellt? Eigentlich glaube ich das nicht, ich denke, dass Reisen solche Prozesse vielleicht beschleunigt, nicht aber auslöst. Aber dann ist es wie mit meinem Lieblingbeispiel mit dem Kleiderschrank: Früher hatte frau 2 Werktagskleider und ein Sonntagskleid und wusste immer, was sie anziehen soll. Heute steht sie vor einem übervollen Schrank und kommt zu dem Schluss, dass sie eigentlich nichts anzuziehen hat.
Wären wir glücklicher, wenn wir weniger Auswahl hätten? Sind wir zu wählerisch?
In armen Ländern sind die Leute damit beschäftigt, das Notwendige zum Leben zu erlangen. Hier leben wir im Überfluss, und Depressionen verbreiten sich wie das schwarze Loch in der Unendlichen Geschichte.
Macht uns der Überfluss krank?
Vielleicht wäre alles einfacher, wenn wir in einer Gesellschaft leben würden, in denen es klarere Regeln gibt. Arrangierte Ehen werden seltener geschieden als Liebesheiraten, wenn man damit beschäftigt ist, seine Kinder ernähren zu können, grübelt man weniger über den Sinn des Lebens.
Aber zurück geht es ja auch nicht mehr, und wer einmal die Freiheit geschmeckt hat, fügt sich nicht mehr in fremdbestimmte Zwänge.
Und trotzdem ist die Sehnsucht, irgendwo anzukommen, doch vorhanden. Ein Ort, an dem man sich zuhause fühlt, ein Mensch, mit dem man sein Leben verbringen will - aber dann soll er bitte aussehen wie Johnny Depp, eine Stimme haben wie Viggo Mortensen und den Witz von Harald Schmidt - so ungefähr. Und der Beruf soll Erfüllung sein, einem ein sorgenfreies Leben ermöglichen, abwechslungsreich sein aber nicht zu stressig -
Erwarten wir nicht ein Ideal von Leben, das wir eh niemals erreichen werden????
Soweit mein Wort zur Halbzeit

Liebe Grüße
Euer julchen