„Hectors Reise - oder die Suche nach dem Glück“

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Volkmar
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„Hectors Reise - oder die Suche nach dem Glück“

Ungelesener Beitrag von Volkmar »

Francois Lelord: „Hectors Reise - oder die Suche nach dem Glück“

Wenn im ORF (Österreichischer Rundfunk) die Buchbesprechung angesagt wird, dann tönt es großartig: „Lesen ist Abenteuer im Kopf“. Abenteuern im Kopf und der ganzen Kopflastigkeit mag ich nichts abgewinnen. Auf der Reise wartet das Abenteuer vor der Tür, während ich mir ein ganz anderes durch den Kopf ziehe? Das will mir nicht in den Kopf gehen. :roll:

Wenn ich lese, dann boome ich mich doch weg aus dem Hier und Jetzt – von der Reise, wie von zu Hause. Ich halte das viele Lesen daheim für bestenfalls eine Notlösung, eine Überbrückung, falls jemandem die Decke auf den Kopf zu fallen droht, ehe der Weg zum Therapeuten gefunden wird. Aber nicht viel mehr. Auf der Reise zu lesen ist absurd. Ich meine jetzt nicht etwa den Reiseführer, sondern dieses Verschlingen von Romanen und Geschichten, die mit der Reise nichts zu tun haben, die mich wegholen von der Reise. :|

Seit einer Woche denke ich nach über eine Relativierung meiner rigorosen Einstellung. Ich hatte das Buch einer Mitreisenden aufgeschlagen. Ich war sogleich gefesselt von der ersten Seite: „Hectors Reise – oder die Suche nach dem Glück“ von François Lelord. (Der Ordnung halber und des Copyrights wegen: Auf deutsch erschienen als Taschenbuch bei Piper 2004). Ich war an 2 Tagen mehrere Stunden weggeboomt aus der Biofarm, wo ich volontiere und habe den Hector auf seiner Reise begleitet.

Es war einmal ein ziemlich guter Psychiater. Er verstand es, den Menschen nachdenklich und mit echtem Interesse zuzuhören. Trotzdem war er mit sich nicht zufrieden, weil es ihm nicht gelang, die Leute glücklich zu machen. Also begibt sich Hector auf die Reise durch die Welt, um dem Geheimnis des Glücks auf die Spur zu kommen.

Er hat ein Notizbüchlein bei sich. Dahinein schreibt er jede Lektion, auf die er im Laufe seiner Reise stößt. „Glück kommt oft überraschend“, vermerkt er nach dem zweiten Schluck Champagner in der Business-Klasse, in die er aufgerückt war, weil die Economyklasse überbucht war. „Die Sessel hier lassen sich nicht so gut runter klappen wie die in der First-Klasse“, meint Charles, Hectors Sitznachbar ärgerlich. Charles trinkt den gleichen Champagner, sitzt in den gleichen Sesseln. Dennoch ist Hector viel glücklicher. „Vergleiche anzustellen ist ein gutes Mittel, um sich sein Glück zu vermiesen“, notiert Hector.

Das erinnert mich an mein hartes Lager hier auf der Farm, und ich hüte mich davor, mir vorzustellen, wie weich man doch drüben im 15 Minuten entfernten Nobel-Ressort liegen dürfte. Als Backpacker hat man sich das Vergleichen ziemlich abgewöhnt. :)

Hector sammelt eine Weisheit nach der anderen, in China, Afrika, Amerika und zuletzt wieder China. Daraus entsteht kein Rezeptbuch. Es ist so was wie ein Reiseführer in Sachen Glücksfindung. Der alte chinesische Mönch meint: „Das Glück ist nicht so ein Ziel wie ihr in eurer Kultur immer so schön abzustecken wisst; dadurch habt ihr ja übrigens so viele interessante Dinge vollbracht. Aber Glück gehört nicht zu dieser Kategorie. Wenn Sie es sich abstecken, werden Sie es mit sehr großer Wahrscheinlichkeit verfehlen. ....“

Ich muss an Gregor http://www.globalchange.at/ denken. Der macht lange Fußwanderungen ohne genaue Ziele. Und mir fällt ein, dass ich mich des Öfteren eingeschränkt gefühlt habe, weil ich mir ein Zwischenziel gesetzt habe, nämlich Neuseeland, auf meiner Reise um die Welt. Auch dieses „einmal um den Globus“ ist eine glückshemmende Zielvorgabe, hat es mir schon mehrmals gedämmert.

Nun noch eine Leseprobe:

Der alte Mönch schaute ihn an und lächelte immer noch, und dann sagte er: „Das Wetter ist schön. Lassen Sie uns eine Runde gehen.“
Die Landschaft war herrlich. Man sah das Gebirge, das Meer und den Himmel.
Hector fühlte sich ein bisschen verschüchtert, wie er so dastand, ganz allein mit diesem alten und sehr wichtigen Mönch, und er wusste nicht recht, was er sagen sollte. Aber gleichzeitig fühlte er, dass der alte Mönch von ihm nicht erwartete, dass er irgendwas Intelligentes oder Weises sagte, sondern dass er nur diesen Augenblick von großer Schönheit mit ihm teilen wollte.
Der alte Mönch sagte: „Wirklich weise sein, das würde bedeuten, auf diese Landschaft verzichten zu können und selbst auf dem Grunde eines Brunnens noch derselbe zu sein. Aber man muss zugeben, dass es schwieriger ist.“
Und Hector begriff, dass der Mönch das erlebt haben musste, den Grund eines Brunnens.
Sie beobachteten eine Weile, wie Wolken und Sonne und Wind mit den Bergen spielten. Hector fragte sich, ob das nicht eine weitere Lektion war: „Nimm dir Zeit, die Schönheit der Welt zu betrachten.“


Es könnte sein, dass das Buch hier etwa jener Stelle angelangt ist, von der die Fußnote meiner WRF-Beiträge spricht.

Mit meiner Lektüre des Buches habe ich mich entfernt von meiner Reise, doch nicht recht weit. Ich werde das bedenken, wenn mich wieder einmal ein Buch anziehen sollte.

Die Franka aus Dresden hatte das Buch von „Hectors Reise“ dagelassen. Es ist ein richtiges Reisebuch, denn es enthält eine „Wanderwidmung“: Franka an Rebecca, Rebecca an mich. Wer deutschsprachig mich nächstens trifft, hat gute Chancen, es von mir, mit neuer Wanderwidmung selbstverständlich, weitergereicht zu bekommen.

Volkmar :)



[aus Volkmars Vorstellungsbereich "gefischt" und in die Bücherecke verschoben - Astrid :)]
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Astrid
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„Hectors Reise - oder die Suche nach dem Glück“

Ungelesener Beitrag von Astrid »

Hallo Volkmar :)

Herzlichen Dank für diese gelungene Buchvorstellung - schon jetzt freue ich mich auf den Moment, an dem mir das Buch in die Hände fällt.

Es erinnert mich an den Satz: "Glück entsteht im Kopf" und den Unterschied zwischen kurzfristigem Glücksgewinn (Geld, Schönheit, Jung-sein, Erfolg...), der abhängig ist von Äußerlichkeiten bzw. äußeren Umständen und langfristigem Lebensglück, das wiederum abhängig ist von der eigenen Haltung zum Leben.

Julchen hatte an anderer Stelle schon mal folgendes über das Buch „Hectors Reise - oder die Suche nach dem Glück“ geschrieben:
Das Buch macht schon beim Lesen glücklich (obwohl manchmal auch traurig).
Ich nehme an, sie meinte damit die Diskrepanz zwischen der Erkenntnis, wie einfach es sein kann, glücklich zu sein und wie schwer wir es uns manchmal selbst machen...

Liebe Grüße
Astrid


PS: Eine Frage, die mit dem Begriff "Glück" assoziiert ist, ist "Was ist der Sinn des Lebens? .
Eine fremde Kultur ergründen zu wollen, ist wie der Versuch, den Horizont zu erreichen... Irgendwann steht man wieder an dem Punkt, an dem man begonnen hat - doch der Blick zum Horizont ist ein anderer. [A. Bokpe]
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