da bin ich nun wieder - zurück im Forum, nachdem nun einige Zeit Funkstille bei mir war. Das hatte auch einen Grund. Und davon will ich euch berichten. Denn ich kann mir vorstellen, dass der ein oder andere vielleicht ähnliches durchmacht, was ich gerade hinter mir habe, oder aber sich über manches nicht bewusst ist.
Es sind jetzt gut und gern 6 Monate ins Land gegangen, seit ich den Entschluss für eine große Reise fasste. Anfangs war es nur ein Schimmer im Kopf und wurde nach und nach zu einem festen Wunsch. Irgendwann war es dann soweit, dass ich diesen Wunsch auch in die Tat umsetzen wollte und begann mit der Planung. Diese war natürlich absolut notwendig, denn ohne Informationen und gezielte Recherche geht es eben nicht.
Nun, das habe ich dann auch mit Eifer betrieben und bekam von Tag zu Tag mehr Vorstellung davon, wie ich das Ganze angehen muss. Leider beging ich dabei einen großen Fehler: Ich plante zuviel, wollte aus allem das Optimum herausholen und vergaß dabei, warum ich denn überhaupt diese Reise machen wollte.
Ja, genau das. Ich wusste irgendwann gar nicht mehr, warum ich da oder da hin wollte. Mir ist heute bewusst, dass es daran lag, dass ich mich durch die 'Überplanung' zu sehr in eine Vorstellungswelt versetzt habe, mir ausgemalt hab', wie dieses oder jenes vor Ort laufen könnte, und was ich denn auf meiner Sehenswürdigkeiten-Liste 'abhaken' wollte. Ich war von der der Reise gefühlsmäßig entfremdet.
Dann kam ich irgendwann zu dem Punkt, an dem ich merkte, dass das alles Unsinn ist, was ich da mache. Ich dachte auch daran, die Reise zu kippen - was ich übrigens (jedoch nur vorläufig) getan hatte, wie ich im Folgenden schildere:
Nachdem ich im Reisebüro war und dort meine Wunschroute buchen wollte, gab es ein Problem: Ich war etwas zu spät. Es waren sämtliche Flüge von Südamerika nach Neuseeland für den angestrebten Zeitraum ausgebucht. Keine Chance - weder mit dem einen noch mit dem anderen RTW-Ticket, und Einzelflüge waren mir zu teuer. Doch ich wollte weg und buchte sozusagen unter einer Art Zwanghaftigkeit die 'Notlösung', die ich mir zurechtgelegt hatte.
Kaum war ich zuhause, wusste ich auch schon, dass ich etwas gebucht hatte, was ich nicht wollte. Das Ende vom Lied war, dass ich schlappe 250 Euro Stornogebühren loswurde...
Doch mein eigentliches Problem war nicht, dass ich nicht den Flug bekam, den ich wollte, sondern etwas ganz anderes: Ich war innerlich nicht bereit für die Reise. Es lag eigentlich weder am Ziel noch an sonstigen 'formalen' Umständen. Der Knackpunkt war meine innere Einstellung. Mir wurde bewusst, dass ich mich selbst in eine Zwanghaftigkeit getrieben hatte.
Die Ursache ist mir mittlerweile nach einiger Zeit der Ruhe und Selbstreflektion klar. Ich war drauf und dran, den großen Fehler zu begehen, die Reise um der äußeren Erscheinung Willen anzutreten, völlig in Widerspruch zu dem wahrhaftigen, inneren Ereignis, wofür man eine solche Reise normalerweise antritt. Mein rationales Denken war mein Verhängnis. Es steckten zuviele Mechanismen in meinem Denken, die von Erziehung, Schule, Studium, ja überhaupt dem ganzen typischen Denken eines Industriestaatenbürgers geprägt waren.
Der Zufall wollte es, dass ich ein Buch, das schon viele Jahre lang halb gelesen in meinem Schrank stand, erneut entdeckt und diesmal aufmerksam aufgenommen habe. Es war die Artikulation dessen, was ich eigentlich schon immer wusste, aber nie tatsächlich in meine Erlebenswelt integriert hatte. Das Buch trägt den Titel "Haben oder Sein" und ist von Erich Fromm - und der Name verrät eigentlich auch schon, worum es geht.
Das Buch als solches ist hier eigentlich Nebensache. Davon soll dieses Posting nicht handeln. Aber es war der Türöffner für eine klare Sicht auf mein Problem: Ich hatte irgendwann durch zuviel Planung die Reise wie ein abstraktes Ding behandelt. Je mehr ich plante desto mehr wollte ich optimieren, sprich: desto mehr wollte ich von der Reise HABEN. Und je mehr ich HABEN wollte, desto unzufriedener war ich mit den Zwischenergebnissen meiner Planung. Typisch westlich eben. Mit Reisen hatte das jedenfalls nichts mehr zu tun. Bestes Beispiel war meine Vorstellung, ich müsste UNBEDINGT auf die Osterinsel. Aber warum? Um nach Hause zu kommen, meine Fotos anzuschauen und mir sagen zu können, dass ich dort gewesen bin? Schwachsinn, wie ich heute weiß. Diesmal überlege ich sogar, ob ich überhaupt einen Fotoapparat mitnehme. Denn offen gestanden kenne ich für mich persönlich nur einen Grund: Um Mitmenschen daran teilhaben zu lassen (Freunde, Verwandte, Nachkommen). Ich selbst habe so aus dem Bauch heraus gar keine richtige Lust, Fotos zu machen. Es verdirbt mir den Moment, einen Fotoapparat herauszuziehen, um die Sehenswürdigkeit "einzusammeln".
Aber zurück zum Kern der Sache: Es ist nun so, dass ich mit diesen ganzen verdammten "Will haben"-Wünsche aufgeräumt hab', ja auch die Alternative in Erwägung zog, keine Reise zu machen, wenn ich merken sollte, dass ich nicht bereit bin. Ich schaltete einfach ab, hörte auf zu planen und fütterte meinen Kopf mit dem Genuss einfacher Dinge (Freunde besuchen, gut essen, ein schönes Buch am See lesen, usw.).
Und siehe da: Das ureigene Selbst trat hervor und offenbarte sich ohne mein Zutun. Es wurde mir klar, DASS es mich durchaus wegzieht und auch die Zeit dazu reif ist. Aber es ist mir nicht mehr wichtig, WO es mich hinzieht. Denn das weiß ich gar nicht! Das kann ich gar nicht wissen! Dazu muss ich erstmal die Bude verlassen und es herausfinden. Natürlich hat jeder so ein bestimmtes Gefühl und gewisse Träume, und mancher weiß auch genau, dass er da und da unbedingt mal hinwill. Ja, das ist wohl bei jedem so, und ich weiß z.B. dass ich irgendwann unbedingt mal nach Südamerika möchte, wohlgemerkt IRGENDWANN, wenn die Zeit eben reif ist. Denn wie sagt meine Oma: "Eins nach dem anderen." Simpel, aber wahr. Es ist mir nun mittlerweile egal, ob ich heute oder morgen da oder da hinkomme. Man kann einfach nicht entspannen und sich treiben lassen, wenn man zu viele Ziele zu genau abgesteckt hat. Die Erde ist wirklich riesig und mit Sicherheit an unzähligen Flecken enorm schön. Aus diesem Grund werde ich in den nächsten Wochen die Entscheidung für das konkrete Reiseziel sehr spontan treffen und einfach losziehen, ohne auch jemals einen Gedanken daran zu verschwenden, wie es dort sein wird. Das genaue Ziel ist mir quasi unwichtig geworden, ich möchte einfach nur erleben.
Dadurch sind die Möglichkeiten schlagartig erweitert worden - denn diese sind nun praktisch unbegrenzt und unterliegen nicht mehr meinen abstrakten Wünschen. Ich kann nach Südamerika fliegen und Spanisch lernen; ich kann nach Asien fliegen und weiter nach Australien und Neuseeland ziehen; ich kann auch direkt nach Australien fliegen und richtig lange dort bleiben, vielleicht ein Auto dort kaufen und durch's Outback tuckern, vielleicht im Anschluss spontan nach Südamerika; ich könnte auch nur nach Asien gehen und irgendwann, wenn die Kasse mal richtig superdick ist, eine 2-Jahrestour starten; und und und... - alles steht offen. Während mir die Vielzahl dieser Möglichkeiten damals Kopfzerbrechen bereitete, weil ich herausfinden wollte, was das 'Beste' ist, stelle ich heute keine Ansprüche mehr daran. Denn DAS 'Beste' gibt es nicht. Alles ist ein komplexes Gefüge vielschichtiger Verbindungen, die sich erst im jeweiligen Hier und Jetzt offenbaren können.
In diesem Sinne wünsche ich allen - vor allem den grübelnden - Reisehungrigen viel Ruhe und Spontanität, auf dass das Ereignis ein Erlebnis wird, und bedanke mich natürlich für all die wertvollen Tipps und Hinweise, die ich hier erhalten habe - auch wenn ich das Planen gerade satt habe

Christian
P.S.
Selbstverständlich werde ich von meinen Erfahrungen berichten, wenn ich unterwegs bzw. wieder hier bin.