Hallo Doan,
ich war auch in Australien und Neuseeland unterwegs. Nach meiner Rückkehr dachte ich zuerst auch eine Weile, dass es eventuell "besser" wäre in Neuseeland zu leben. Aber das hatte natürlich auch damit zu tun, dass die Reiseerfahrung noch frisch war und Deutschland mir dann natürlich eher negativ erschien. Man darf auch nie unterschätzen, dass Herumreisen etwas vollkommen anderes ist, als den jahrelangen Arbeitsalltag in einem Land zu kennen. Die Menschen auf der ganzen Welt - egal wo - machen vom Prinzip her überall das gleiche: Arbeiten, Schlafen, Essen, Trinken, Kinderkriegen. TropicHeat hat da ein paar sehr treffende Punkte angesprochen, denen ich mich nur anschließen kann.
Bei mir persönlich war es so, dass nachdem sich nach ein paar Monaten alles ein wenig gesetzt hatte, ich mir darüber klar wurde, dass man sich doch vieles in seiner Vorstellung schöner vorstellt, als es dann auf lange Sicht im Alltag tatsächlich ist. Und umgekehrt redet man sich vieles schlecht, was momentan ist. Es liegt ja auch auf der Hand: Das Gewohnte kennt man, das Neue erscheint deshalb immer aufregend (für viele Menschen jedenfalls).
Ich selbst bin nach meiner Reise etwas in mich gegangen und habe eben jene von TropicHeat erwähnten Punkte genauer betrachtet. Und an dieser Stelle möchte ich noch einen hinzufügen: Identität bzw. Heimat. In gewissem Maße ist jeder von seiner Kultur schon von Geburt geprägt worden. Ich bin beileibe kein Anhänger von Nationalstolz, aber für mich persönlich habe ich gemerkt, dass die Reise mich auch die gewohnten Dinge schätzen gelehrt hat. Das heißt natürlich nicht, dass ich jetzt "Hurra Deutschland" schreie, aber seinen Ursprung trägt man immer in sich. Andererseits muss die Heimat aber auch nicht immer das beste Land für einen sein. Es gibt auch viele, die ihr Glück woanders finden - aber eben auch viele Desillusionierte, Enttäuschte und Gescheiterte. Deshalb ist es so wichtig, sich genau zu überlegen, was man im Leben denn tatsächlich will, anstelle eine Vorstellungswelt in die Zukunft zu projizieren, in der alles besser erscheint.
Ich selbst fühle mich durch und durch als Europäer, identifiziere mich aber mit keiner konkreten Nationalität. Ich sehe all die schönen Länder und Sprachen, die es hier um uns herum gibt. Das hat mich dazu veranlasst, erst einmal vor der eigenen Haustür zu schauen. Und so bin ich für mich persönlich bei Irland gelandet. Da zieht es mich hin, da will ich in naher Zukunft leben und arbeiten. Denn es ist für mich der beste Kompromiss, bei dem ich das Erlebnis des Neuen haben kann, ohne dass ich abrupt alle Wurzeln abreiße.
Die Vorteile sind in ihrer Mischung ohnehin klasse (die EU macht's möglich!):
1. Arbeits- und wohnungstechnisch volle Freizügigkeit, also kein Visa- oder Einwanderungsbehördenstress
2. Familie, Freunde und Bekannte sind nicht unerreichbar weit weg (Danke an RyanAir

)
3. Die Umstellung fällt recht sanft aus und trotzdem erlebt man neue Dinge
4. Ich bin immer noch in Europa. Hier kann man streckenmäßig sogar mal am Wochenende ein anderes Land besuchen. In Australien oder Neuseeland musst du dafür immer einen Langstreckenflug buchen. Außerdem ist Europa bezüglich Kunst und Kultur ein faszinierender Schmelzpunkt.
5. Wenn es mir nicht gefällt, bin ich ruck-zuck wieder in Deutschland
Also alles in allem denke ich, dass wenn man schon eventuell nach Übersee auswandern möchte, es erst einmal auf befristete Zeit ausprobieren kann, d.h. dort mal für ein oder zwei Jahre arbeiten, bevor man sich den ganzen Einwanderungsbehördenstress gibt.
Christian