Hallo Sigfried!
Ich habe 2003/04 in Kanada, genauer gesagt in Saskatchewan gelebt und muss dir leider berichten dass von
diesen faszinierenden, stolzen Menschen
nicht mehr allzuviel übrig ist, und schon gar nicht naturverbunden.
Man kann das vielleicht ganz gut mit bayerischem Kulturgut vergleichen...

Warst du vielleicht schon mal auf einem Heimatabend???
Es wird natürlcih versucht die alten Tänze usw aufrecht zu erhalten und bei bestimmten Anlässen gibt es dann zB Trommel- und Tanzvorführungen, in den Schulen gibt es die Unterrichtsfächer "Native History" und "Native Art", aber den Rest des Jahres leben die meisten in ganz gewöhnlichen Häusern (oder Trailerparks) mit ganz gewöhnlicher Kleidung und gewöhnlichen jobs.
Dank der Winnetou-Filme haben wir in Deutschland ja ein sehr positives Bild der First Nations, und ich war sehr überrascht zu sehen wie grundlegend anders das in Kanada selbst ist. Ich habe leider die Erfahrung gemacht dass ein nicht unbeträchtlicher Teil der Kanadier geradezu rassistisch eingestellt waren in Bezug auf die Ureinwohner. Wenn du durch Kanada reist, wird dir vermutlich auffallen, dass man in den Ballungsräumen im Süden so gut wie nie auf Natives trifft. Ganz anders war das Bild in Saskatchewan, nicht nur im Norden. Leider muss ich sagen, dass die Natives in meiner Gegend oft auch einiges getan haben um eben die Vorurteile gegen sie zu bestätigen.
Das Voruteil Nummer 1: "Natives sind arbeitslose Alkoholiker." Die traurige Realität in der Gegend dort war leider, dass viele Natives ein Drogenproblem hatten, wie auch von Jörg schon angesprochen. Und das ging auch bei den Jugendlichen schon los. An meiner Schule ging das soweit, dass den Jugendlichen der "Flying Dust First Nation" sogar jeden Monat 20 Dollar bezahlt wurden, wenn sie den ganzen Monat nicht unentschuldigt gefehlt hatten.
Es ist wirklich eine verzwickte Situation - vielleicht das größte innenpolitische Problem mit dem Kanada zu kämpfen hat.
Würde mich sehr interessieren welche Erfahrungen Jörg im Yukon da genau gemacht hat, denn dass
die Ureinwohner kein Menschenrecht von Kanada zugestanden bekommen
wäre mir dann doch wieder neu.
Mal ganz ungeachtet dessen, was es in der Vergangenheit an unglaublichen Ungerechtigkeiten gegeben hat, ist es meines Wissens unter der heutigen Rechtlage im Gegenteil so, dass die Natives RECHTLICH gesehen BEVORZUGT werden. Es gibt in den verschiedensten Bereichen sog. affirmative actions, die eben dazu dienen sollen die Natives zu fördern und ihre Lage zu verbessern.
Ich erinnere mich zB an folgende Punkte, könnte aber sein dass sich die ein oder andere Ungenauigkeit eingeschlichen hat:
- Natives sind von der Einkommenssteuer befreit sofern sie auf Reservatsgebiet leben (was auch erklärt warum man in den Städten so wenige von ihnen sieht)
- Sie dürfen unbegrenzt jagen
- Universitätsausbildung kostenlos (oder zumindest sehr stark vergünsigt)
- Bevorzugung bei manchen Einstellungsverfahren (Quotenregelungen!)
Eigentlich hätten die Natives die besten Chancen eine gute Ausbildung und einen ansprechenden Beruf zu finden, aber wie es scheint werden die Angebote nicht so stark genutz. Das schreckliche ist, dass durch die Bevorzugung erst recht Unmut in der restlichen Bevölkerung aufkommt - was dann im Endeffekt eben doch wieder zu Diskriminierung führt. Ich habe zB von einem Fall gehört, bei dem eine Polizeistreife einen Jugendlichen nachts im Winter ausserhalb der Stadt ausgesetzt haben soll, wo er dann erfroren ist. Ich muss dazusagen, dass so etwas von der Kanadischen Gesellschaft aber natürlich auch nicht einfach hingenommen wird, sondern ist natürlich ein stark diskutiertes Problem wie etwa auch bei uns der Rechtsextremismus.
Das Problem ist meiner Meinung nach, dass der kanadische Staat gegenwärtig eher versucht zu viel zu tun (oder an den falschen Ecken). Das ganze ist, so wie ich es mitbekommen habe, ein Sozialstaat hoch 10 - und man kennt das ja aus Deutschland - wo Bedürftigen geholfen wird, ensteht schnell der Vorwurf die Bedürftigen seien "Sozialschmarozzer". Aber vielleicht wäre in dem Fall weniger ja doch mal mehr, denn dadurch werden die Natives irgendwie ein bisschen vom Rest der Gesellschaft isoliert.
Einfach traurig...
Nichts desto Trozt: Bitte lass dich nicht von deinem Vorhaben abbrigen, es ist natürlich nicht alles schlecht, du darfst halt nur nicht zu viel erwarten. Ich würde dir empfehlen in die Praries zu reisen, da dort meines Wissens die meisten Natives leben, eben "ganz normal".
Falls du dich direkt engagieren willts, könntest du dort nach lokalen Einrichtungen suchen, wo Bedürftigen Geholfen wird, zB gibts es in Meadow Lake die "Door of Hope".
Würde mich interessieren wie es mit deiner Reiseplanung weitergeht. Hoffe du schreibst mal wieder was!
LG, Sandra