Hallo Roadrunner,
da meine Vietnamerinnerungen noch sehr frisch sind, ich bin letzte Woche nach 16 Wochen aus Vietnam ausgereist, kann oder muss ich Dir teilweise Recht geben, teilweise muss aber auch massiv widersprechen.
1. Deinem Bericht entnehme ich, dass Ihr wohl Eure Zeit im Norden reisend verbracht habt? Ich nehme an: Bissl Hanoi, Halong Bay Tour, bissl Radl fahren in Naturparks, dann auf nach Sapa? Irgendwie so. Und dann mit dem Zug nach Süden?
Als wir in Hanoi angekommen sind, wollten wir nach zwei (!) Tagen nur noch flüchten, ja, flüchten...nicht nur ausreisen. War schlimm. Der Lärm, das Gegrantl, der ganze Rip off und vor allem die Enge bei den ganzen Mopeds.
Was zum Norden zu sagen ist, und das aus eigener Erfahrung und von Freunden aus Saigon: Der Tourist an sich ist den Vietnamesen im Norden quatsch-verdammt egal. Wenn einer auf der Strasse tot umfällt, dann eben Pech, ein Touri weniger. Und kommt mir jetzt ja keiner mit dem "über den Kamm scheren".
Die bei weitem nicht so westlich orientierten Vietnamesen im Norden sind sehr auf den Aufbau von wirtschaftlichem Wohlstand bedacht. Und das kommt eben mal durch Handel...Industrie ist nicht nennenswert vorhanden. "Walking ATM", das ist eben der Tourist und wenn Du nichts kaufst, dann wird eben so lange gegrantelt bis Du die Kohle locker machst. Der andere Weg ist eben der Rip off, wie Du auch beschreibst. Ich musste lernen, dass das aber überall der Fall ist, in ganz Vietnam. Jeder verdient über Provisionen und Extragebühren sein Stück des Kuchens mit, auch wenn es nur ein kleiner Krümel ist. Zu den Visaverlängerungen könnte ich haarsträubende Geschichten erzählen, da will man eigentlich nur weinend im Eck sitzen und sich die Haare raufen.
Die Route: Sapa - Hanoi - Halong ist wohl so die klassische Nordroute und da trampen eben 1000te Touris jeden Tag vorbei....klar, dass die Touri-Industrie mit allen Schattenseiten auch voll vertreten ist.
Warum sich auf dem Reisfeld krumm machen, wenn ich den Touris paar Steinketten oder Tee-Flaschen andrehen kann? Wir haben Sapa vermieden, da wir eben wir gewarnt wurden. In der Halong, von unserem Guide, der böseste Sachen aus dem Nähkästchen geplaudert hat. Da hats uns die Ohren aufgestellt.
2. Müll: Ja, leider überall vorhanden und das in rauen Mengen. Von Hanoi bis Phu Quoc, nahezu überall das gleiche Bild. Leider, ja, leider....denn wir haben wunderbare Ecken entdeckt...leider voller Müll...Sao Beach als Beispiel. Mir scheint hier überhaupt kein Bewusstsein vorhanden zu sein, was dort gerade passiert. Die einzigen, die Mülltrennung vorgenommen haben, waren die Menschen, die vom Suchen von Plastik im allgemeinen und Flaschen im besonderen leben. Alle sonst: Null Bewusstsein für Umwelt, Natur und Müll. Auch lange Gespräche in Saigon brachten null Verständnis. Warum auch? Der einzelen im System kann dort nichts machen, wenn die Regierung nichts macht, dann wird nichts gemacht. Allerdings: Man sollte mal den Materialwert des Kunststoffes erwähnen...dann gehts wieder im Geld und ich bin mir sicher, es wird brav getrennt.
Abschluss: LEIDER...volle, traurige Zustimmung in diesem Punkt.
3.
Dazu kommt, dass die meisten Leute in den Restaurants, Hotels, Agencies, Läden u.ä. dermaßen inkompetent sind - unglaublich. Selbst die Angestellten der Bahn können einem nicht sagen wann die Züge ungefähr fahren...
Ja, teilweise auch erlebt..."Yes"...fleissig mit dem Kopf genickt und trotzdem das Falsche/ Nichts bekommen. Ist aber auch in Kambodscha so, ist aber auch in Thailand so. Meiner Meinung nach hängt dies aber mit dem "Gesicht verlieren" zusammen. Kein Englisch? Nichts verstanden? quatsch, Gesicht verloren...lieber nix sagen, schweigen, aussitzen, irgendwas machen. Hat nichts mit den Menschen zu tun, sondern mit den fehlenden Sprachkenntnissen und dem Ehrgefühl oder wie immer man das nennen will.
Wir haben dann Vietnamesich gelernt und ab dort fast nie mehr ein Problem gehabt.
Klar, für eine vierwöchige Tour nicht gerade DIE Lösung, aber das war unser Weg.
Abschluss: Nur teilweise Zustimmung, haben sehr nette und kompetente Leute erlebt, vor allem im Süden/ Südwesten.
4.
Also in Summe ein ganz großer Murks, es vergeht kein Tag an dem man sich nicht massiv über etwas geärgert hat, und wir waren in P eru, Ec uador, U ruguay & Co unterwegs, also alles Länder mit Bananenrepublik-Status und selbst dort war es bei weitem nicht so schlimm.
Ja, es gab Tage, da hätte ich die Wände hinaufgehen können, weil wieder irgendein quatsch war, Visa ist so ein Thema. Aber: Man wird ruhiger, ganz sicher...und das habe ich aus den vier Monaten mitgenommen: Es läuft nicht alles rund, im Norden vieles eigentlich richtig eckig, aber je mehr man toleriert und sich in das wahrlich komische Leben integriert, desto einfacher wirds. Falsches Essen bekommen? Naja, Pech, probiert man eben was neues. Zug falsch, zu spät, Bus nicht da, was weiss ich...ja, Pech. Was will man auch machen? Rumschreien? Geld zurück verlangen? Harr harr harr, viel Spass. Nein, einfach akzeptieren. Beim zweiten Mal wirds leichter. Hört sich sau dumm an? Ja? Nein, Problem da, Lösung suchen...
Mein Tipp: Spare Dir die Reise von Hanoi nach Saigon...das macht jeder. Ggf. noch über die Berge mit Da Lat. Das ist so ausgetreten, das ist eigentlich schon ne Autobahn, auf der die Touris hin und her gekarrt werden.
Fahr ins Mekong Delta, ab Saigon, keine Tour. Da findest ggf. auch etwas Frieden mit Vietnam. Wunderbare Menschen, echt freundlich, ein Höhepunkt für uns.
Grüsse
Alex[/quote]